Untreu
dunkelblonden Haaren. Er trug Jeans und einen schwarzen Rollkragenpullover. Er hatte eine leise, aber klangvolle Stim-me, lächelte viel und unterstrich seine Sätze gern mit einem leichten Heben der rechten Hand. Mona stellte ihn sich auf einer Kanzel vor und dachte, wie schade es sei, dass sich ein so gut aussehender Mann der Kirche verschrieben hatte. Dann fiel ihr ein, dass Pfarrer Grimm evangelisch war, also keinem Zölibat verpflichtet.
Dafür wahrscheinlich verheiratet.
»Wir hätten uns viel eher bei Ihnen melden müssen«, sagte der Pfarrer. Leichtes Heben der rechten Hand, kein Ehering. »Aber wir waren so geschockt von dieser entsetzlichen Geschichte...«
»Wir haben auf diese Weise wichtige Zeit verloren. Bei einer Todesermittlung kann das wesentlich sein.«
»Ja. Tut mir wirklich Leid.«
Sie saßen zu zweit auf einem schwarzen Ledersofa, das alt, speckig und durchgescheuert aussah. Eine unscheinbare ältere Frau hatte Kaffee und einen Teller voller Kekse und Bonbons auf den Glastisch vor ihnen gestellt und sich dann diskret zurückgezogen. Mona musste sich zwingen, nicht über die Süßigkeiten herzufallen. Sie hatte das Mittagessen nach dem Besuch von Theresa Leitner ausfallen lassen und war gleich zu Bertold Grimm gefahren, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Sie hatte Glück gehabt, ihn anzutreffen, hatte ihr Grimm gleich zu verstehen gegeben. Normalerweise leite er um diese Zeit einen Gesprächskreis zum Thema »Alter als Chance«.
»Ich habe Frau Belolavek - Karin - sehr gemocht«, sagte Grimm. »Wir alle haben sie gemocht. Ich kann überhaupt nicht begreifen... Sie muss sehr verzweifelt gewesen sein.«
»Das wissen wir eben nicht.«
»Was haben Sie denn bislang in Erfahrung gebracht? Oder dürfen Sie darüber nicht reden?«
»Genau. Ich darf Ihnen nicht sagen, was ich weiß, aber Sie müssen mir alles sagen, was Sie wissen. Ziemlich unfairer Deal.«
Der Pfarrer lächelte. »Also, fragen Sie mich. Ich werde mir Mühe geben.«
Mona nahm einen Schluck Kaffee. Die Pfarrei neben der Kirche war ein grauer, würfelförmiger Zweckbau mit niedrigen Decken und kleinen Zimmern. Auch dieser Raum, das Büro des Pfarrers, war klein und wirkte schäbig. Hier sollte Gott gehuldigt werden? Monas Kehle fühlte sich trocken an nach dem Gespräch mit Theresa Leitner. Gott konnte überall, selbst in der kleinsten Hütte, gepriesen werden, fiel ihr ein. Das Gesicht ihrer ehemaligen Religionslehrerin erschien schemenhaft vor ihrem inneren Auge und verschwand wieder. Sie spürte die Müdigkeit, die sie nach den Anstrengungen der vergangenen Tage einhüllte wie ein verführerisch warmes, weiches Tuch. Gähnend griff sie nach einem Schokoladenkeks und hielt irritiert inne, als sie das Gesicht des Pfarrers bemerkte.
»Zu früh aufgestanden?«
»Sicher. Wie üblich.« Es gab keinen Grund für ihre plötzliche Verlegenheit.
»Nehmen Sie ruhig von den Keksen.«
Bloß das nicht. Dann wäre der Teller ganz schnell leer. »Danke, nein. Können wir anfangen?«
»Sicher.«
»Wie lange kennen Sie Frau Belolavek?«
»Das sind sicher schon zwei Jahre. Wir wüssten überhaupt nicht, was wir ohne sie machen würden. Sie kann ganz toll mit den Kindern umgehen, sie kann super organisieren, und sie ist immer freundlich. Wir sind sehr froh, dass wir sie haben. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie...«
»Das hat bisher jeder gesagt.«
»Das kann ich mir denken. Sie ist ein wirklich wundervoller Mensch. Wenn sie gibt, gibt sie alles.«
»Haben Sie gewusst, dass sie eine Affäre hatte?«
Der Pfarrer schwieg ein paar Sekunden lang, scheinbar verblüfft. Dann sagte er: »Sollte das so sein, würde es mich nichts angehen.«
»Sie hat nie mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Unser Verhältnis war nicht so persönlich. Sie war einfach sehr nett. Jeder mochte sie.«
»Hat sie... War sie... Ich meine, wie wirkte sie auf Männer?«
»Was meinen Sie damit?«
»Attraktiv? Hat sie gern geflirtet? Das meine ich.« Wieder gab es da diesen Impuls bei ihr, die Augen niederzuschlagen und rot zu werden. Das war lächerlich, unprofessionell und peinlich.
»Eigentlich nicht«, sagte der Pfarrer. Er sah Mona weiterhin unverwandt an, seinerseits völlig unbefangen, den linken Arm locker auf die Sofalehne gelegt. »Nein. Ich glaube, Sie haben ein völlig falsches Bild von ihr. Sie sieht sehr gut aus und ist sehr liebenswürdig, aber das, was Sie da andeuten...«
»War sie gläubig?«
»Ich denke schon, aber das geht mich
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