Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
Vom Netzwerk:
wusste Lukas das auch ganz genau und stellte sich deswegen so an. Aber es war die beste Lösung für den Moment.
    So sah ihr Leben aus: die beste Lösung für den Moment finden. Jeden Tag aufs Neue.
    Um fünf nach sechs passierte sie das Tor zur Tiefgarage des Dezernats.

Kapitel 9
    Maria betrachtet sich mit nacktem Oberkörper im mannshohen Spiegel neben dem Badfenster. Niemand darf sie hier stören. Auf den Badewannenrand und über die Wäschestange neben der Dusche hat sie sorgfältig elf unterschiedliche Oberteile drapiert. Sie trägt eine mit schwarz-weißen Graffitis bedruckte, eng auf der Hüfte sitzende Hose und Sneakers mit dicken Sohlen. Im Spiegel sieht sie ein Mädchen mit glatter karamellfarbener Haut, kleinem, festem Busen, zarten Schultern und blauen Augen. Maria ist froh, dass sie hübsch ist, denn alles wird leichter, jeder ist netter, wenn man gut aussieht. Man bekommt sogar bessere Noten und wird mehr gefördert. Diesen Wettbewerbsvorteil muss sie sich erhalten, und so dreht sie sich mit einer graziösen Bewegung um und betrachtet erneut ihre Auswahl an Kleidungsstücken.
    Schließlich entscheidet sie sich für ein kurzes, asymmetrisches Top aus weißem, schimmerndem Stretchstoff. Es betont ihren flachen Bauch und ihre braun gebrannten Schultern. Sie öffnet ihre zum Pferdeschwanz hochgebundenen blonden Haare und lässt sie auf die Schultern fallen. Sie beugt sich nach vorn, schüttelt die Haare durch, sprüht etwas Haarspray hinein und wirft sie mit Schwung zurück.
    Ein Ritual, bei dem normalerweise ihre Freundin Jenna dabei ist. Es macht weniger Spaß, wenn man es allein absolviert, aber Jenna hat Grippe und Fieber oder tut zumindest so. Maria wird allein auf die Party gehen müssen, die einer der beliebtesten Jungs der elften Klasse gibt. Maria und Jenna sind erst in der zehnten, aber mit gleichaltrigen Jungs halten sie sich nicht mehr auf. Marias andere Freundinnen aus der Zehnten, Aise, Hanna und Lisa, werden ebenfalls dort sein, aber sie sind kein Ersatz für Jenna. Jenna ist so etwas wie ihre Seelenschwester. Sie haben sich im letzten halben Jahr so eng aneinander angeschlossen, dass sie in der Schule nur noch die Siamesen genannt werden.
    Aber in den vergangenen Wochen hat sich etwas verändert. Jenna hat mehr Kontakt mit einem Mädchen aus der Parallelklasse. Sie vermeidet es, mit Maria allein zu sein, und kommt sie nur noch dann besuchen, wenn andere Mädchen dabei sind. Jenna hat schwarze Locken und braune Augen. Sie ist normalerweise lustig, schlagfertig und frech, und Maria und sie waren ein unschlagbares Team, wenn es darum ging, sich über verliebte Mitschüler lustig zu machen, Lehrer in den Wahnsinn zu treiben, Eltern zu hintergehen. Aber jetzt ist Jenna irgendwie ruhiger und ernster. Maria sehnt sich nach ihrer Freundin, aber nach der Person, die sie früher war.
    Maria nimmt ihren flüssigen Kajalstift und malt sich eine hauchdünne schwarze Linie auf das Oberlid. Sie ist sehr gut darin. Manchmal, wenn sie gut gelaunt ist, schminkt sie andere Mädchen und beweist dabei ein phänomenales Geschick, das ihr immer wieder aufs Neue attestiert wird. Sie verreibt den Lidstrich und gibt hellblauen Lidschatten darüber, dann kontrolliert sie ihre dünn gezupften Augenbrauen und schließlich kommt als Finish erdbeerfarbener Lipgloss auf ihren Mund.
Kleine Lolita
hat sie ein Geschäftsfreund ihres Vaters neulich genannt, in einem Moment, als ihre Eltern gerade abgelenkt waren. Maria kennt den Namen
Lolita
nur aus einem Popsong, aber sie ahnt dunkel, was den Mann dazu veranlasste, sie auf diese Weise anzusprechen. Sie spürt, dass es sich um eine Andeutung handelte, die etwas Verbotenes beinhaltet. Sie lächelte den Mann an, neugierig, denn sie war vielleicht früher einmal schüchtern gewesen, aber jetzt nicht mehr.
    Jemand klopft an die Badezimmertür. »Puppe, brauchst du noch lang?«
    »Geh bitte weg von der Tür, ich komm gleich raus.«
    In Jennas Haus befinden sich zwei Bäder, eins für sie und ihren Bruder, eins für ihre Eltern. Maria muss ihres mit den Eltern teilen, und sie hasst es. Das Bad ist ihr Refugium. Hier fühlt sie sich am sichersten. Sie weiß nicht, warum ein simpler quadratischer, weiß gefliester Raum eine so positive Wirkung auf sie hat, aber es ist so. Sie hört die sich entfernenden Schritte ihrer Mutter, und ihr Körper entspannt sich.
    ...Ich habe überhaupt keinen Einfluss mehr auf das, was sie tut...
    ...normal. Reg dich nicht auf. Du regst dich immer

Weitere Kostenlose Bücher