Untreu
auf...
...hilfst mir nie...
...das ist die Pubertät, das gibt sich...
Ihre Eltern haben sich vor ein paar Tagen ihretwegen gestritten. Maria lauschte an der Wand zum Wohnzimmer und bekam einige Satzfetzen mit. Sie beschließt, dass es ihr egal ist.
Sie öffnet die Tür, ihre Oberteile über den Arm gehängt. Vorsichtig späht sie hinaus. Ihre Mutter hat sich verdrückt. Maria schleicht auf leise quietschenden Gummisohlen über den langen Gang bis zu ihrem Zimmer. Sie legt alles ordentlich zusammen und verstaut es in ihrem Kleiderschrank. Ihr Zimmer ist wie üblich tipptopp aufgeräumt.
Sie überlegt, ob sie doch noch mal bei Jenna anrufen soll. Die Nummer weiß sie auswendig, das Telefon steht neben ihrem Bett. Warum ist Jenna so komisch geworden, was findet sie an dem anderen Mädchen, und was veranlasst sie, im Bett zu bleiben, wenn der beste Typ der Schule sie einlädt? Aber vielleicht hat sie wirklich Fieber, wie ihre Mutter sagt. Maria öffnet das Fenster, und milde Frühsommerluft strömt ins Zimmer. Es ist acht Uhr und noch vollkommen hell. Das Fest soll bei schönem Wetter im Freien stattfinden. Es ist das erste nach den Pfingstferien.
Maria lehnt sich hinaus und lässt den leichten Abendwind mit ihren Haaren spielen. Zwei Stockwerke unter sich sieht sie den Garten mit dem gepflegten Rasen, den blühenden Rhododendren am Zaun zum Nachbargrundstück und den sorgfältig gepflanzten Rosenstöcken neben der Terrasse. Dieses Bild atmet Frieden, und einen Moment lang überlegt Maria, ob sie nicht lieber hier bleiben soll. Sie hört ihre Mutter in der Küche hantieren, die auf die Terrasse hinausgeht, und sie sieht ihren Vater, wie er mit einem Tablett herauskommt, auf dem der Brotkorb, kalter Aufschnitt, eine Karaffe mit Rotwein, zwei Gläser und zwei Teller stehen.
In der nächsten Sekunde hat sie sich bereits ihr schwarzes Hemd übergezogen, das sie offen lässt, damit man ihr bauchfreies Top sieht. Sie nimmt ihre Tasche und läuft aus dem Zimmer, die Treppe hinunter.
»Mam, ich gehe jetzt«, brüllt sie in Richtung Küche. Sofort geht die Tür auf, und ihre Mutter erscheint auf der Schwelle. Das Licht aus der Küche umrahmt ihre Silhouette wie ein Heiligenschein, und einen Moment lang ist Maria fasziniert, bevor diese rätselhafte Abneigung wieder Besitz von ihr ergreift. Etwas an diesem Gefühl ist nicht ganz in Ordnung, sie weiß das. Man sollte seine Mutter lieben, auch wenn man genervt von ihr ist. Aber ihre Mutter ist komisch geworden, und Maria weiß nicht, warum und ob es an ihr liegt und überhaupt...
»Um elf bist du bitte wieder da, Puppe, okay? Morgen ist Schule.«
»Ich weiß selber, wann Schule ist.«
»Dann denk auch dran. Hast du mir die Adresse aufgeschrieben? Legst du sie mir neben das Telefon?«
»Ja.«
»Nimm dein Handy mit.«
»Mach ich.«
Aber das Handy bleibt ausgeschaltet neben ihrem Bett liegen. Maria verlässt das Haus und schwingt sich auf ihr Rad, das neben dem Gartentor steht. Es sind nur fünf Minuten Fahrt bis zum Haus von Boris Kaiser. Vielleicht wird dort heute Abend etwas Wichtiges passieren. Diese Erwartung hat sie eigentlich immer, an jedem neuen Tag. Etwas soll geschehen, etwas Gutes oder Schlimmes. In letzter Zeit wacht Maria häufig mit dem Gefühl auf, dass etwas geschehen wird. Sie sehnt sich danach, und gleichzeitig hat sie Angst davor.
»Das passt nicht«, sagte Fischer. »Die Belolavek war eine Musterfrau, die hatte keinen jungen Lover. Das passt nicht.«
Alle sahen zu Berghammer, und Berghammer schwieg. Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen, wie immer, wenn er nachdachte. Zum ersten Mal seit Tagen ließen die Wolken die Sonne durch, und sie schickte ein paar blassrötliche Strahlen durch die Fenster. Bauer machte sich nützlich und schwang einen Fensterflügel hin und her. Der Rauch von mindestens vierzig Zigaretten verzog sich in die kühle Abendluft.
Berghammer setzte die Brille wieder auf. »Leute, wir wissen nicht, wie Karin Belolavek wirklich war. Beziehungsweise ist. Was die Nachbarn sagen, muss nicht stimmen. Sie kann ein Doppelleben geführt haben. Machen doch viele. Gibt es noch jemand anders außer dieser Leitner, der was von einem Liebhaber erzählt?«
»Nein, aber das heißt gar nichts«, sagte Mona. »Die Leitner war ihre einzige Freundin.«
»Niemand in der Nachbarschaft?«
»Nein. Keine Freundin, keine Verwandten. Die Belolavek hatte nur ihren Mann. Und eben diese...«
»Habt ihr sie überprüft?«
»Die Leitner? Sicher.
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