Untreu
daran, seine Außenstände einzutreiben. Die Welt um mich herum wird immer unsicherer. Ich sehe überall Masken, nirgendwo Ehrlichkeit.
Wer bist du? Wer bist du wirklich? Ich will dir glauben, aber es gibt zu viele Brüche in deinen Schilderungen über dich und deine Vergangenheit, zu viele Ungereimtheiten. Der Teufel hole mein analytisches Talent und mein unfehlbares Gedächtnis: Du erzählst bestimmte Fakten immer wieder anders, manchmal nur in Nuancen, manchmal mit einer derart dreisten Offensichtlichkeit, dass mein Vertrauen, vorher stark und unerschütterlich, plötzlich zerbröselt wie Sand. Dabei müsstest du wissen, dass ich alles verstehe und verzeihe. Meine eigene Vergangenheit macht mich tolerant. Du kennst sie nicht, aber wenigstens lüge ich dich nicht an.
Du kennst sie nicht, weil du dich - auch das ist eine bittere Erkenntnis - nicht dafür interessierst. Mein Leben außerhalb unserer Treffen scheint in deinem Bewusstsein keinen Platz zu haben. Du fragst nie. Andererseits: Will ich denn wirklich, dass du fragst? Bin ich nicht ganz froh darüber, mit deiner Hilfe all das zu vergessen, was sich im Laufe der Jahre... nun ja: ergeben hat, und so vieles scheinbar ohne mein Zutun?
Aber von dir will ich alles wissen, alles verstehen. Manchmal nehme ich dein schönes Gesicht in meine beiden Hände (sie wirken blass neben deiner immer leicht gebräunten Haut), ich presse die Ballen hart an deine Wangenknochen, ich suche in deinen braunen Augen nach einer Antwort auf meine Fragen. Aber deine Augen sind stumm. Dein Gesicht ist das einer Statue, schön und undurchdringlich.
Du sagst zum Beispiel, du hättest deine Freundin umgebracht, ohne es zu wollen. Du sagst: Es ist einfach so passiert, ich war nicht mehr bei mir, ich hatte ein totales Blackout.
Aber das kann nicht stimmem! Ihr wart vier Stunden in deiner Wohnung, du hast selbst zugegeben, dass sie mehrmals gehen wollte und du sie nicht aus der Tür gelassen hast.
Ich wollte alles mit ihr bereden.
Alles? Was denn alles? Dass du sie ständig betrogen hast und dass sie sich nun endlich in einen anderen verliebt hatte und dich verlassen wollte? Was gab es da noch zu bereden?
War es nicht vielmehr so, mein Liebster, dass du das Ganze geplant hattest? Nun, vielleicht nicht im Sinne von: Morgen werde ich sie töten, die Schlampe. Nicht so, sondern auf eine subtilere, sprachlosere Weise. Vielleicht hast du ein Bild gesehen: sie in deinen Armen. Vielleicht konntest du gar nicht unterscheiden, ob dieses Bild zwei Liebende zeigte oder einen Mann und eine Tote. Vielleicht wolltest du es auch gar nicht. Weil dir beides gleich recht war. Du behauptest, es sei nie zu Gewalttätigkeiten zwischen euch gekommen. Nie vor diesem einzigen, letzten Mal.
Ich denke, du willst all das glauben. Aber es wird dir nichts nützen. Die Wahrheit hat eine Kraft, die sich immer durchsetzt, immer. Sie wird dich vernichten, wenn du dich ihr nicht stellst.
Dann wieder erkenne ich eine Wahrheit zwischen uns beiden, die ich als unantastbar empfinde. Mein Körper und dein Körper. Das ist real. Ich habe abgenommen und bin ganz leicht und gleichzeitig sehr stark und wendig geworden. Du kannst mich ohne Mühe hochheben, und ich schlinge meine Beine um deinen Bauch. Du lässt mich heruntergleiten, und ich spüre deinen Schwanz, wie er in mich eindringt, mich blind findet und mühelos in seinen ewig gleichen Rhythmus verfällt. Manchmal, wenn ich beim Gedanken an unsere Leidenschaft schier den Verstand verliere, versuche ich uns beide von außen zu betrachten. Verstehst du - um wieder auf den Boden zu kommen. Der Akt als solcher ist lächerlich - oder? Ich meine, warum gerade so und nicht anders?
Das Verrückte ist, es gelingt mir nicht. Ich versuche, uns beide lächerlich zu finden, aber alles, was ich finde, ist herrliche Wildheit und Gier. Wir sind noch lange nicht am Ende angekommen. Auch wenn ich es mir manchmal wünsche, weil deine und meine Welt so oft zu kollidieren drohen. Dir werfe ich deine Lügen vor, und was tue ich? Nichts anderes. Ich verschweige dir absichtlich so viele meiner Wünsche und Gedanken. Und in meinem anderen Universum verleugne ich deine Existenz.
Gestern waren wir auf einer Wiese weit, weit weg von allem. Von ferne hörte man das gleichmäßige Rauschen der A 8. Wir waren einen Schotterweg entlanggefahren und hatten das Auto unter einer Esche geparkt. Kein Mensch weit und breit, kein bewirtschaftetes Feld, einfach nur wilde Natur.
Wir lagen auf einer Decke, um
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