Untreu
Sie was sagen.«
»Ist mir egal. Ich sag nichts.«
Zusammenfassung der Akte Milan Farkas. AZ Re.6730-30.678.
Milan Farkas, dreiundzwanzig, Vater Milan Farkas aus Ungarn, Elektriker, Mutter Gertrud Jung, verh. Farkas, aus Berlin, Hausfrau. Aufenthaltsort des Vaters: unbekannt, evtl. Budapest. Aufenthaltsort der Mutter: Candidstraße 12. Beruf: keiner bekannt, eine abgebrochene Elektrikerlehre. Mit dreizehn Jahren zum ersten Mal aktenkundig wegen kleinerer Delikte, u. a. Autoknacken, Hehlerei in begrenztem Umfang (Autoradios, CD-Player), leichte Körperverletzung.
Mit sechzehn Jahren Tötungsdelikt an seiner damaligen gleichaltrigen Freundin Sissi Lehmann. Motiv nach Aussage des Täters: Eifersucht und Verzweiflung, weil sie ihn verlassen wollte. Es gab keine Zeugen. Der Hergang wurde vom Täter folgendermaßen geschildert und vor Gericht und von der Staatsanwaltschaft als korrekt akzeptiert: Farkas lud seine bereits abkehrwillige Freundin »zu einem letzten Gespräch« in die Wohnung seiner Mutter ein, die zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause war. Schon nach wenigen Minuten kam es zum Streit. Sissi Lehmann beschuldigte Farkas, sie mehrfach mit anderen Mädchen betrogen zu haben. Er habe sie außerdem wiederholt angelogen, sei oft tagelang nicht auffindbar gewesen und habe ihr mehrfach zu verstehen gegeben, dass er an einer engen Beziehung nicht interessiert sei.
Der Täter gab dies alles zu, weinte und schwor, sich künftig zu bessern. Sissi Lehmann gab ihm zu verstehen, dass sie auf diesen Sinneswandel zu lange habe warten müssen und nun keine Lust mehr auf einen neuen Anfang habe, da sie ihm zu oft habe verzeihen müssen. Zudem habe sie sich in einen anderen Mann verliebt. Es gebe keinen Weg zurück. Das wollte der Täter nicht akzeptieren. Mehrmals stand Sissi Lehmann auf und wollte die Wohnung verlassen, mehrmals schob sie der Täter zurück auf die Couch im Wohnzimmer. Zu diesem Zeitpunkt, so sagte der Täter aus, sei es noch nicht zu Gewalttätigkeiten gekommen. Er habe Sissi Lehmann auch früher niemals geschlagen oder auf andere Weise körperlich misshandelt. Letztere Aussage deckt sich mit den Aussagen von Zeugen, die das Paar näher kannten.
Die Stimmung heizte sich, so die Version des Täters, immer mehr auf. Das Gespräch drehte sich im Kreis, es wurden immer wieder dieselben Vorwürfe geäußert und zurückgegeben. Schließlich erklärte Sissi Lehmann, sie wolle jetzt endgültig gehen. Zum ersten Mal an diesem Abend setzte sie sich entschieden gegen die Versuche des Täters zur Wehr, sie zum Bleiben zu veranlassen. Da habe der Täter »durchgedreht« und »irgendwann nur noch rot gesehen«. Er habe daraufhin das Opfer in den Würgegriff genommen, laut seinen Angaben nur deshalb, damit »sie endlich Ruhe gibt«. Schließlich habe sich das Opfer nicht mehr bewegt. Der Täter habe mit Entsetzen festgestellt, dass das Opfer »ganz blau« war und nicht mehr atmete. Schließlich habe er einen Freund angerufen und ihm gesagt, er habe »totalen Scheiß gebaut« und er brauche jetzt Hilfe.
Der Freund kam vorbei und stellte den Tod Sissi Lehmanns fest. Sie wickelten die Leiche in ein Bettlaken und transportierten sie zu dem Auto des Freundes. Der Täter blieb zu Hause, der Freund brachte die Leiche zu einem Motocross-Gelände unweit der Wohnung des Täters. Am nächsten Tag regnete es. Der Täter hielt es nicht mehr aus und fuhr zu dem Gelände. Die Leiche war bereits entdeckt worden. Sie lag durchnässt im Freien, ungeschützt dem Regen preisgegeben. Der Täter gab später an, dass ihn dieses Detail besonders bewegt habe. Er sei nicht mehr im Stande gewesen, sich zu verstellen. Er kniete sich vor die Leiche und weinte. Die Polizei traf ein und nahm den Täter fest. Beim ersten Verhör gab er die Tat nicht zu, sondern nur, dass er die Tote kenne. Doch da die Indizien erdrückend waren, erfolgte noch am selben Tag ein Geständnis.
Die Version des Täters wurde, soweit möglich, von allen Zeugen bestätigt. Freunde und Bekannte des Täters sagten aus, die Beziehung Sissi Lehmanns zu Milan Farkas sei eng und leidenschaftlich gewesen. Er habe sie zwar tatsächlich oft belogen und betrogen, aber es sei immer klar gewesen, dass sie das Mädchen gewesen sei, das er wirklich geliebt habe.
Das psychologische Gutachten bescheinigt Milan Farkas eine temperamentvolle, unbeherrschte Persönlichkeit. Seine Beteuerung, er habe das Opfer ehrlich geliebt, entspricht dem Gutachten zufolge den Tatsachen. Der Täter neige aber
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