Untreu
und sehe - endlich! - eine Frau, die den Mut hat, bis zum Ende zu gehen. Ich kann nicht mehr zurückkehren in ein Dasein ohne Leidenschaft. Ich bin ein Kreuzritter der Gefühle geworden. Ich habe meine Lanze geschärft und richte sie gegen Drachen und Dämonen, die Langeweile heißen und Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit und Ordnungswut. Ich habe mich auf eine Reise begeben, die sich nicht abbrechen lässt, weil sie mir immer mehr Abenteuer verspricht. Ich will sie alle erleben und bestehen, und möglicherweise ist dann wieder Platz für mich in meinem alten Leben. Wenn ja, werde ich dennoch eine neue Frau sein. Eine, die sich wehrt. Eine, die sich nie wieder mit den Brosamen hohler Gefühle zufrieden geben wird, die die Welt ihr gönnerhaft zukommen lässt.
Langsam erfahre ich immer mehr über dich. Du musst mir gar nichts mehr erzählen. Ich kann mir auch so alles zusammenreimen. Ich kann in deinem Gesicht dein ganzes Leben sehen.
Du hast deine Freundin getötet, weil sie dich verlassen wollte. Anfangs wollte ich das nicht glauben, aber mittlerweile weiß ich, wozu du in der Lage ist. Einen kleinen Vorgeschmack hast du mir nicht erst gestern gegeben. Die Vernunft rät mir, meiner Familie reinen Wein einzuschenken und die Sache zu beenden. Ein Teil von mir sehnt sich danach - manchmal. Ein anderer Teil weiß, dass das niemals in Frage kommt.
Du hast deine Freundin getötet. Du hast es nicht geplant, aber du hast es getan. Du hast sie gewürgt, so lange, bis sie für immer dein war. Ich verstehe dich jetzt so gut. Ich weiß so genau, was damals in dir passiert ist. Es gibt keine reine Liebe, außer in der Theorie. Leidenschaft ist ihrem Wesen nach besitzergreifend. Sie macht alle Argumente stumpf. Sie ist radikal, aggressiv und egoistisch. Ein Flächenbrand, der vernichtet, was sich ihr in den Weg stellt.
Würdest du mich töten, wenn ich dich verlassen wollte, oder bedeute ich dir dafür zu wenig? Eine Frage, die mich seit Tagen quält und die man niemandem stellen kann. Die Antwort würde ich im Fall des Falles erst erfahren, wenn es zu spät wäre. Ist das nicht - komisch? Vielleicht muss ich erst sterben, um zu erkennen, dass du mich wirklich geliebt hast. Vielleicht überlebe ich aber auch mit der Gewissheit, dass ich immer nur eine Lückenfüllerin war, die dir so lange dienen durfte, bis die Richtige kam, die in der Lage ist, dich wirklich zum Wahnsinn zu treiben. Ich gehe das Risiko ein, herauszufinden, ob ich diejenige welche bin.
Es ist wahr: Ich bin verrückt. Ich bin nicht mehr ich selbst.
Aber ist das etwa ein Verlust? Wer war ich denn schon - die letzten Jahre, bevor du kamst?
Die Adresse stimmte immerhin. Milan Farkas war nicht in seiner Wohnung, aber ein Nachbar sagte, dass er um diese Zeit oft zum Billardspielen gehe. Mona fuhr also zum Salon ein paar Straßen weiter, im Schlepptau Patrick Bauer, der schrecklich aussah, aber darauf bestand, dass es ihm gut gehe. Junge Polizisten wie er gingen zur Mordkommission, weil sie sich davon Abenteuer versprachen oder wenigstens einen abwechslungsreichen Alltag. Tatsächlich war kein Arbeitstag wie der andere, andererseits gab es auch genug andere spannende Berufe, die nicht jeden Anflug von Idealismus im Keim erstickten. Das Herumstochern in Milieus, wo Armut, Gier und Gewalt regierten statt Toleranz, Liebe und Verständnis, konnte einen seelisch so mitnehmen, dass man vergaß, dass es auch gute Menschen mit edlen Motiven gab. Verfaulte Leichen Obdachloser, die man zu spät fand, weil niemand sie vermisst hatte, teerschwarz zusammengeschrumpfte Brandopfer, von ihren alkoholisierten Partnern bis zur Unkenntlichkeit geprügelte Säuferinnen brachten einen immer wieder dazu, jene Sinnfragen zu stellen, die ins Leere liefen, weil sie niemand beantworten konnte: Was war der Zweck eines Lebens, das auf so triste und entwürdigende Weise endete? Wozu alle Ängste und Anstrengungen, wenn ein trostloser, qualvoller Tod der ultimative Lohn war?
Das Schlimmste war, dass man oft nicht einmal mehr in der Lage war, Mitleid für die Opfer aufzubringen. Der Tod machte alle gleich - gleich hässlich. Er war auf schauerliche Weise demokratisch. Er vernichtete alles, was je eine Persönlichkeit ausgemacht hatte. Er verhöhnte sämtliche Illusionen, denen sich Lebende hingaben, die es nicht besser wussten.
Wir wissen zu viel und das Falsche,
dachte Mona nicht zum ersten Mal. Zu viel Wissen konnte einen vernichten, so wie Monas Mutter vernichtet worden war. In ihren
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