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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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dazu, Fakten, die nicht in sein Selbst- oder Weltbild passen, auszublenden. So habe er nicht wahrhaben wollen, dass Sissi Lehmann sich schon vor der Tat stundenlang in einem Zustand der Angst und der Verzweiflung befunden haben müsse. Erst auf längeres Insistieren hat der Täter zugegeben, dass sein Opfer ihn in regelmäßigen Abständen angefleht habe, sie doch endlich gehen zu lassen. Der Täter gestand in diesem Zusammenhang, auch schon in anderen Situationen cholerisch reagiert zu haben, allerdings nie tätlich.
    Seine Reue wertet das Gutachten dennoch als tief und aufrichtig. Das Gericht verurteilte ihn wegen Totschlags im Affekt zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren, zwei Jahre wurden zur Bewährung ausgesetzt. Nach vier Jahren wurde Milan Farkas wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Zwei Jahre - die Zeit, in der er seine Elektrikerlehre begann, aber nicht abschloss - blieb er strafrechtlich unauffällig. Dann geriet er aus ungeklärten Gründen in eine Schlägerei vor einem polizeibekannten Hehlertreff, in deren Verlauf ein Mann durch einen Messerstich ums Leben kam. Die Identität des Opfers konnte nicht geklärt werden. Es blieb ebenfalls unklar, wer die Schlägerei aus welchem Grund begonnen hatte. Zeugen äußerten die Vermutung, es handele sich um einen säumigen Zahler, der abgestraft werden sollte.
    Zwei Tage nach Beginn der Ermittlungen meldete sich der Bosnier Zoran Melivecz, vierundzwanzig, bei der Polizei und gab an, Milan Farkas habe den tödlichen Stich ausgeführt, er habe es deutlich gesehen. Milan Farkas gab zu, dass er zur Tatzeit vor Ort war, an der Schlägerei habe er sich aber nicht beteiligt; ein Zoran Melivecz sei ihm nicht bekannt. Da er jedoch Gesichtsverletzungen hatte, deren Herkunft er nicht erklären konnte, gab es genügend Indizien, die eine Festnahme rechtfertigten. Milan Farkas kam in Untersuchungshaft, musste aber nach zwei Wochen wieder entlassen werden, da der angebliche Zeuge Melivecz nicht mehr aufzufinden war...
     
    »
Anständiges Strafregister«, sagte Berghammer in seinem Büro und legte den Folder beiseite. »Das sieht doch gut aus. Ich denke, wir haben unseren Mann.« Er lächelte Mona und Bauer an. »Gute Arbeit.« Sie standen vor seinem Schreibtisch wie Schüler vor ihrem Direktor.
    »Er hat gar nichts zugegeben. Außer dass er sie kennt und mit ihr was hatte«, sagte Mona.
    »Mach's nicht so kompliziert«, sagte Berghammer. Er nahm die Brille ab und legte sie vor sich auf den Tisch. Sein Blick bekam dadurch etwas Wehrloses, Nacktes, das gar nicht zu seiner mächtigen Statur passte. »Er wollte entweder die Belolavek oder ihr Geld oder beides. Ihr Mann stand im Weg. Farkas hat ihn - zack - aus dem Weg geräumt. Dass er töten kann, hat er bewiesen. Die Belolavek ist flüchtig, weil sie ihn angestiftet hat. Gut, vielleicht nicht bewusst. Aber der Mord ist ihretwegen passiert.«
    »Oder sie ist auch tot, und Farkas hat ihr Geld. Hunderttausend insgesamt.«
    »Oder so.« Berghammer nickte. Er sah zufrieden aus unter seinem Walross-Schnurrbart. »Wie auch immer, Farkas ist unser Mann.«
    Es war sechs Uhr durch. Die Sonne war untergegangen, ein für die Jahreszeit wunderschöner warmer Tag war zu Ende. Nichts hatten sie von der milden Spätsommerluft mitbekommen.
    »Und wie beweisen wir ihm das? Wir haben nicht mal den ungefähren Todeszeitpunkt von Thomas Belolavek. Farkas braucht noch nicht einmal ein Alibi. Wir können ihn nicht ewig festhalten.«
    »Vielleicht jetzt noch nicht«, gab Berghammer zu. Dann setzte er die Brille wieder auf und rieb sich die Nasenwurzel. Die gute Laune verschwand nach und nach aus seinem Gesicht.
    »Wir müssen ihn spätestens morgen laufen lassen«, sagte Mona.
    »Wollte er einen Anwalt?«
    »Er hat nichts gesagt.«
    »Gut!«
    Bauer stand gebückt, bleich und schlapp neben ihr wie ein Häuflein Elend. Sie hatte ihn längst nach Hause schicken wollen, aber er hatte sich gesträubt.
    »Meinst du, wir kriegen eine Überwachung genehmigt?«, fragte sie Berghammer. »Ich meine, ab morgen.«
    »Genehmigt schon. Aber wir haben die Leute im Moment nicht da. SoKo Vanessa. Dreißig Mann sind am Tod der Kleinen dran. Ich brauche auch Schmidt und Forster von dir. Das hat im Moment höhere Priorität.«
    »Höhere Priorität als der Mord an Thomas Belolavek?«
    »Herrgott«, sagte Berghammer. »Du weißt, wie die Leute sind. Wenn kleine Mädchen umgebracht werden, flippen sie aus. Irgendein Mann zählt da überhaupt nicht mehr.«
    »Also, wir

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