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Untreu

Titel: Untreu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa v Bernuth
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langen, dunklen Herbst Platz zu machen. Spätestens dann würden Lukas' Depressionen zurückkehren und ihr Leben zur Hölle machen - so wie letzten Winter. Mona schüttelte diese Gedanken ab, die Erinnerung an Lukas' steinernes Gesicht, an seine Weigerung, sich mitzuteilen, an die entsetzliche Stummheit, die seinem Selbstmordversuch vorangegangen war.
    Der Anblick von Lukas auf dem Asphalt. Das Blut. Die Ärzte, die immer wieder von einem Wunder sprachen, weil er sich nur den Arm gebrochen und ein paar Prellungen zugezogen hatte - nach einem Sprung aus dem dritten Stock.
    Nicht denken! Einfach nicht denken!
    Mona betrat den mit Graffiti beschmierten Eingangsbereich. Eine einzelne Neonröhre tauchte den Raum in kaltes, flackerndes Licht. Selbst die Lifttüren waren voll gesprüht mit zum größten Teil fremdsprachigen Parolen, hier und da gewürzt mit »Arschloch« oder »Wichser«.
    Eine der Lifttüren öffnete sich und spuckte eine Ladung junger Männer aus. Sie unterbrachen ihre laute Unterhaltung und fixierten Mona, die ihren Blicken nicht auswich und sich damit automatisch verdächtig machte. Die Männer kamen langsam auf sie zu.
    »Hey, weißt du was, die Frau ist ein Bulle.«
    Einer der Männer trat ihr in den Weg. Er trug eine verspiegelte Sonnenbrille auf seinen kurzen braunen Locken und sprach mit dem leicht rollendem R der Turkodeutschen. Mona schätzte ihn auf höchstens Anfang zwanzig, etwa so alt wie Farkas. Ob er Farkas kannte? Aber das konnte sie jetzt nicht herausfinden, nicht hier, nicht auf diese Weise.
    »Lass mich einfach durch«, sagte Mona.
    »Was gibst du mir dafür?«
    »Lass mich einfach durch.«
    »Erst will ich wissen, was du hier willst.« Er baute sich vor ihr auf, seine Kameraden blieben hinter ihm, hielten ihm den Rücken frei. Mona kam sich vor wie in einem dieser Karatefilme aus Hongkong. Sie wich einen Schritt zurück und tastete unter dem Parka nach ihrem Pistolenhalfter.
    »Dir einen blasen, was sonst?«, sagte sie. »Darauf wart ich schon den ganzen Tag.«
    Die Jungen lachten überrascht auf; der Punkt ging an Mona. Der Wortführer maß sie von Kopf bis Fuß. »Mein Schwanz ist so ein Prügel, den packst du gar nicht.«
    »Zeig ihn mir doch«, sagte Mona. »Ich steh auf große Schwänze. Ich hoffe, deiner ist eine Granate.« Sie machte einen Bogen um die Gruppe und ging an den Jungs vorbei in den Lift. In ihrem Job hatte es was für sich, in einem rauen Viertel aufgewachsen zu sein. Nichts konnte einen mehr schockieren, schon gar keine verbalen Unverschämtheiten. Es war ganz leicht, man musste nur mit dem gleichen Jargon kontern. Männer, selbst Männer wie diese hier, fürchteten Frauen, die ordinär wurden. Sie hielt mit der rechten Hand ihren Pistolenhalfter unter dem Parka fest und drückte mit der linken auf die Zahl des Stockwerks, in dem Milan Farkas wohnte. Es war nicht günstig, dass man sie hier sah, aber in einem derart großen Wohnblock wäre es ein Wunder gewesen, wenn sie komplett unbemerkt geblieben wäre.
    »Hey, Tussi, ich hol ihn jetzt raus, und ich sag dir was, du wirst dich nicht mehr einkriegen.«
    Aber nichts dergleichen passierte. Die Jungen blieben stattdessen vor dem Aufzug stehen, sahen sie unschlüssig an, die Hände in den Taschen ihrer weiten Baggy-Jeans, von einem Bein aufs andere tretend. Endlich schlossen sich die Türen, und Mona war allein. Sie hob den Kopf und sah, dass die Decke der Kabine verspiegelt war. Ihr Gesicht wirkte blass und schmal, ihre Augen waren rot vor Erschöpfung.
    Der Lift hielt schwankend im achten Stock.
    Mona trat auf den Gang hinaus. Hinter ihr schlossen sich mit leisem Rumpeln die Aufzugtüren, und plötzlich stand sie allein in fast völliger Dunkelheit. Sie presste ihre Hand auf einen der rötlich glimmenden Schalter. Ein leises Knacken ertönte, aber das Licht blieb aus. »Verdammt«, flüsterte Mona vor sich hin. Sie zog die Pistole aus dem Schulterhalfter und versuchte, sich an die Richtung zu Farkas' Wohnung zu erinnern. Lag sie links oder rechts vom Lift? Links oder rechts? Die Finsternis verwirrte ihre Gedanken.
    Sie entschied sich für rechts, vielleicht weil sie in dieser Richtung, am Ende des Gangs, ein helles Viereck zu entdecken glaubte. Sie tastete sich an der Wand entlang und betätigte einen weiteren Schalter. Nichts. Die wievielte Tür vom Lift aus gesehen war die, die in Farkas' Wohnung führte? Die zweite oder die dritte? Sie hatte keine Ahnung. Ihr Kopf war leer, als wäre sie nie hier gewesen, ihr

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