Unvergessen wie Dein Kuss
nur weil er
sie
wollte, sein Vergnügen nicht woanders suchen würde. Vielleicht hatte er schon eine Mätresse. Bei dem Gedanken durchfuhr ein Stich ihr Herz.
“Natürlich”, sagte sie und räusperte sich, um das unsichere Zittern in ihrer Stimme zu verdecken. “Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Tag.”
Marcus stand auf. “Wenn ich wünsche, dass Sie mich zu gesellschaftlichen Anlässen begleiten, gebe ich Ihnen einen Tag vorher Bescheid.”
“Ich verstehe.” Sie verstand wirklich. Heute Abend, was auch immer der Anlass war, brauchte er sie nicht an seiner Seite.
“Sie werden den Widerruf für die
Times
schreiben?” Er wiederholte die Frage, als ob er ihr immer noch nicht ganz glauben konnte.
“Selbstverständlich”, antwortete sie höflich.
Marcus zögerte einen Augenblick, bevor er sagte: “Also gut. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, Mylady.”
Einen Augenblick lang rührte Isabella sich nicht von der Stelle. Sie hörte, wie er beim Hinausgehen Belton ein freundliches Wort des Dankes zurief. Trotz des warmen Wetters fühlte sie sich kalt und steif. Und sie hatte ein seltsames Gefühl der Leere. Was sie geplant hatte, war der baldige Umzug nach Salterton. Das gesellschaftliche Getriebe Londons besaß für sie keinerlei Anziehungskraft. Sie hatte zwölf Jahre damit verbracht, auf dem fürstlichen Präsentierteller zu leben. Nun aber wollte sie nichts als Ruhe und Frieden.
So hatten sich die Dinge aber nicht entwickelt. Sie war in London gleichsam gefangen, weil ihr Mann es so befahl, aber ihre Tage waren leer. Er erwartete von ihr, dass sie für jede Zerstreuung, die sie sich wünschte, seine Erlaubnis einholte. Und da er über das gesamte Vermögen verfügte, waren ihre Möglichkeiten recht beschränkt. Sie erkannte allmählich, dass Marcus sie auf diese Weise dafür bestrafen wollte, was sie ihm in seinen Augen an Bösem zugefügt hatte.
Plötzlich stand sie auf und ließ die Handarbeit auf den Boden fallen. Dann ging sie hinüber zu ihrem Schreibpult. Zuerst musste sie also ihren Widerruf schreiben. Dann brauchte sie etwas Zeit, um nachzudenken. Alles musste sorgfältig geplant werden, denn sie hatte nicht die Absicht, sich von Marcus ihr Leben diktieren zu lassen.
Sie setzte sich und wählte eine der Schreibfedern aus. Dann zog sie ein Blatt Papier heran und begann zu schreiben:
Fürstin Isabella Di Cassilis möchte hiermit deutlich machen, dass sie den Earl of Stockhaven nicht seines Geldes wegen geheiratet hat.
So. Das war ein Widerruf. Sie hielt inne und kaute an dem Federhalter.
Die Fürstin möchte vielmehr darauf hinweisen, dass der Mitgiftjäger der Earl ist, da er durch die Verbindung in den Besitz von Salterton Hall in Dorset gekommen ist, wonach er seit Langem strebte …
Isabella schrieb den Absatz zu Ende, löschte die Tinte ab und las den Text nochmals durch. Sie war zufrieden. Wenn das Marcus nicht zur Weißglut brachte, dann wäre sie außerordentlich überrascht. Gut, er hatte einen Widerruf gewünscht … Er hatte aber nicht gesagt, dass sie keinen anderen Zusatz anbringen sollte.
“Schach!”, sagte sie laut. “Und Sie sehen sich besser vor, Mylord, denn das nächste Mal ist es Matt.” Das Exemplar der
Times
lag immer noch auf dem Sofa, wo Marcus es abgelegt hatte. Isabella nahm die Zeitung ganz in Gedanken auf, und dann wurde ihr Blick von einem Artikel auf der Titelseite gefesselt.
Rückkehr des amerikanischen Botschafters und seiner Gattin nach London.
Isabella setzte sich langsam, wobei sie aber noch las. Als sie zum Schluss des Artikels gekommen war, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus. Mit so einer glücklichen Wendung hatte sie nicht gerechnet. Seit ihrer Rückkehr nach England und der bösen Überraschung von Ernests Schulden schien buchstäblich alles gegen sie zu sein. Doch anscheinend änderte sich das gerade. Isabella ging wieder zu ihrem Schreibpult, nahm ihr bestes Schreibpapier und tauchte die Feder in die Tinte.
An diesem Abend traf Marcus in der Schankwirtschaft
Golden Key Inn
einen seiner Informanten bei den Bow Street Runners. Wie nicht anders zu erwarten, bestätigte ihm der Ermittler wieder einmal, dass es keinen einzigen Kriminellen in London gab, der etwas über Warwick sagen würde.
Der Runner hatte allerdings noch eine weitere schlechte Nachricht für ihn. Seit Edward Channing aus Salterton verschwunden war, hatte Marcus die Runners nach dem Jungen Ausschau halten lassen. Mit Schaudern erinnerte er sich an Edwards
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