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Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)

Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)

Titel: Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer
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ertragen, das tote Gesicht des großartigen schnauzbärtigen Generals zu erblicken und es Grace sagen zu müssen.
    Wenigstens verbarg die einsetzende Dämmerung das Schlimmste. Olivia nahm eine der Laternen und folgte Grace zu der zerstörten Mauer.
    Es waren keine Schüsse mehr zu hören. Ein paar Männer hatten sich bei dem Holztor versammelt. Grace ging zu ihnen und erkundigte sich nach ihrem Vater. Alle schüttelten den Kopf. Es war ein schweres Gefecht gewesen, und der General war mit einigen Soldaten im Obstgarten des Gehöfts in Stellung gegangen.
    Grace nickte und wandte sich den Bäumen zu. Olivia folgte ihr. Sie beobachtete, wie Grace den ersten Körper in einer roten Uniform umdrehte, und wartete. Grace legte den Leichnam wieder hin, richtete sich auf und ging zum nächsten. Einen Moment lang schloss Olivia die Augen und betete. Dann beugte sie sich über den ersten Toten. Von da an konzentrierte sie sich auf nichts anderes als den weißen Schnurrbart.
    Die Nacht brach herein, während sie noch immer weitersuchten. Der Vollmond schien am Himmel und tauchte die entsetzliche Szene in silbriges Licht. Die Laterne schwankte hin und her, als Grace an der östlichen Mauer in Richtung Süden ging. Ihre Bewegungen waren schnell und effizient. Nicht annähernd so schnell und effizient lief Olivia ihr hinterher. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie plötzlich etwas hörte.
    »Mylady.«
    Die Stimme eines Mannes, wie so viele andere. Sie wischte den Ruß vom Gesicht eines jungen Gardisten und drückte seine Augen zu.
    »Bitte, Mylady.«
    Olivia blickte auf und erwartete, einen verwundeten Soldaten zu sehen.
    Er war kein verwundeter Soldat.
    Olivia blinzelte. Sie war sich sicher, dass sie Rauch in den Augen hatte. Dass sie einfach vollkommen erschöpft war. Doch als sie ihre Augen wieder aufmachte, war er noch immer da. Keine eineinhalb Meter von ihr entfernt stand er. Chambers. Gervaises Diener. Und er trug den roten Rock eines Gardisten, als würde er auf dieses Schlachtfeld gehören.
    »Bitte, Mylady«, sagte er zu ihr. Sein ernstes Gesicht wirkte beinahe panisch. »Helfen Sie mir.«
    »Was machen Sie hier?« Olivia keuchte erschrocken auf und sah sich um.
    Dann erstarrte sie. Oh Gott. Wenn Chambers hier war, wo war dann Gervaise? Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie weit sie gegangen war. Abgesehen von Chambers und den Toten und der hereinbrechenden Nacht, war sie allein zwischen den Bäumen.
    »Es ist schon gut, Mylady«, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gehört. »Er ist nicht hier.«
    »Hören Sie auf, mich so zu nennen«, erwiderte Olivia knapp. »Ich bin Mrs Olivia Grace.«
    »Sie müssen helfen«, flehte Chambers.
    »Wem muss ich helfen?«, wollte Olivia wissen. »Ihnen?«
    »Ihm.«
    » Gervaise? «
    Chambers schüttelte wortlos den Kopf. Olivia wartete und fragte sich, wo die Pointe blieb. Sie wollte ihm sagen, dass sie auf keinen Fall vorhatte, ihm zu helfen – egal, was passierte. Vor fünf Jahren hatte sie seine Welt hinter sich gelassen, war gejagt worden wie ein Dieb mit einem gestohlenen Apfel in der Hand. Sie hatte die Erinnerung an jene Zeit tief in sich verschlossen und wollte sie nicht wieder hervorholen.
    Sie machte auf dem Absatz kehrt, um zu gehen. Chambers war jedoch schneller und packte sie am Handgelenk.
    »Lassen Sie mich los «, forderte sie und wollte sich aus seinem Griff befreien.
    Er beachtete ihre Worte nicht. »Ich habe ein Pferd gestohlen und bin Ihnen hierher gefolgt«, sagte er und zog sie unaufhaltsam hinter sich her zwischen den Bäumen hindurch. »Ich danke Gott, dass Sie gerade an diesem Ort sind. Ich hätte Sie sonst aber auch den ganzen Weg übers Schlachtfeld geschleift, wenn es nötig gewesen wäre.«
    Sie wehrte sich noch immer gegen ihn, als er sie über und um die Toten herum führte, die unter den zerstörten Bäumen lagen.
    »Lassen Sie mich los «, forderte sie wieder. »Ich muss meiner Freundin helfen.«
    »Sie müssen mir helfen.«
    Ihr Herz geriet ins Stocken. Das konnte nicht wahr sein. Sie musste träumen. Sie war in einem der Sanitätszelte eingeschlafen, und jetzt bezahlte sie den Preis für diese Nachlässigkeit.
    Chambers blieb stehen. Sie wäre beinahe gegen ihn geprallt. Sie hatten einen Ort erreicht, an dem die Toten übereinander unter den zerstörten Obstbäumen lagen. Das Mondlicht strich mit kalter Hand über sie; der Geruch von Schwarzpulver war überwältigend. Chambers nahm Olivia die Laterne ab und ging vor einem der reglosen

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