Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
auch zehn. Warum? Und warum trägst du dieses abscheuliche Kleid? Du bist eine Countess, verdammt noch mal. Warum siehst du aus wie eine unterernährte Gouvernante? Was verschweigst du mir?«
Sie zuckte die Schultern. »Einiges, denke ich.«
Er hatte sie verletzt. Er konnte es in ihren Augen sehen. Er hatte Livvie nie in seinem Leben wehgetan. Doch wenn er sie nicht betrogen hatte, wer, zur Hölle, war dann Mimi?
Er hatte es offensichtlich laut gesprochen, denn Livvie zuckte zusammen.
»Du erinnerst dich also an sie?«, fragte Olivia.
Erstaunt blickte er sie an. »Du bist nicht überrascht.«
Sie hielt seinem Blick stand. »Als dein Fieber so hoch war, hast du nach ihr gerufen.«
»Das ist doch absurd. Ich kenne keine Mimi.«
Oder mit Brüsten, über die man ein Gedicht schreiben sollte. Oder mit einem schelmischen Lächeln, das das Universum umarmte. Schon bei der Erinnerung an sie wuchs seine Erregung. Was, zum Teufel, war los mit ihm?
»Ich glaube, dass du sie kennst«, entgegnete Olivia und setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett. »Kannst du mir mehr über die Erinnerung erzählen?«
In dem Moment bemerkte Jack, wie fest sie ihre Hände ineinander verschlungen hatte. »Nein.« Wieder rieb er sich über die Stirn, als könnte er so die Bilder auslöschen. »Das ist doch nicht möglich. Ich würde niemals … niemals …«
Und dennoch fühlte er sich schuldig und voller Reue. Und wünschte sich nichts sehnlicher, als das lachende junge Gesicht zurückzuholen.
Aber das würde er nicht mit Livvie diskutieren.
Als hätte sie seine Gedanken wieder gehört, seufzte Olivia. »Du und ich hatten einige Probleme«, sagte sie nüchtern. Sie wandte den Blick ab. »Du warst … eine Weile weg.«
»Wie lange?«
Wieder zuckte sie die Schultern, ohne ihn anzusehen. »Eine Weile.«
Den Rest konnte er an ihrer Haltung ablesen. Lange genug, um etwas mit Mimi anzufangen – wer auch immer sie war.
» Was weißt du noch von der Schlacht?«, fragte Olivia und wirkte seltsam ruhig, wodurch er sich nur noch schlechter fühlte.
Er erinnerte sich, dass er eine französische Uniform getragen und das Geräusch von Kanonendonner und unzähligen Musketen gehört hatte. Pferde.
»Waffen«, erwiderte er, unfähig, die Wahrheit zu sagen. »Große Gewehre. Bin ich zu den Husaren gegangen?«
»Das glaube ich nicht.«
»Was meinst du? Du musst es doch wissen. Ich bin hier, oder etwa nicht? Wie bin ich hierhergekommen?«
»Chambers hat dich gefunden und dich hergebracht.«
Er versteifte sich. »Und welche Uniform hatte ich an?«
Eine Sekunde lang sagte sie nichts. Dann zuckte sie wieder die Achseln. »Als du zu uns gekommen bist? Leibgarde.«
»Leibgarde? Sei nicht albern. Ich wäre niemals der Leibgarde beigetreten. Wenn ich meinen Vater endlich davon überzeugt hätte, mich verpflichten zu dürfen, wäre ich zu den Husaren gegangen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Jack.«
»Und du hast nicht gefragt? Irgendjemand muss es doch wissen. Mein Kommandeur. Meine Freunde. Finde Drake oder Lidge. Verdammt, frag Gervaise.«
»Man sagte uns, es wäre sicherer für dich, wenn du dich von allein erinnertest.«
Er machte den Mund auf und schloss ihn wieder. Lieber Gott. Sie konnte ihm nicht sagen, ob er oder ob er nicht …
Noch nicht einmal den Gedanken konnte er zu Ende führen. Er sah sich selbst, als er lächelnd die verräterischen roten Manschetten richtete, den Tschako aufsetzte und pfiff, bevor er Mimis Wohnung verließ.
Er schloss die Augen, als weiß glühender Schmerz seine Schläfen durchzuckte. Er wusste, dass er die Richtung ändern musste.
»Chambers«, sagte er und machte die Augen wieder auf. »Frag ihn. Da wir gerade von ihm sprechen – wo ist er eigentlich?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Er ist wieder gegangen. Er … äh … ist nicht mehr dein Diener.«
Jack spürte, wie ein weiterer Stützpfeiler seiner Welt zusammenbrach. »Warum?«
»Ich fürchte, auch das weiß ich nicht.«
Plötzlich war er wütend. Auf Livvie. Auf sich selbst. Auf das Schicksal, das ihn in dieses Bett geführt hatte, mit einem Kopf, der nicht funktionierte. Er wollte Antworten. Er wollte vom Verdacht des Landesverrates freigesprochen werden, aber er wusste nicht, wie.
»Erzähl mir von der Schlacht«, bat er sie. »Das kannst du doch, oder?«
Sie nickte. Sie lehnte sich zurück und erzählte ihm von einem Feld, das inzwischen Waterloo hieß. Sie sprach von Heldenmut, von einem Blutbad, von unzähligen
Weitere Kostenlose Bücher