Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
Toten, die wie Blumen im Wind umgeknickt waren. Sie erwähnte Wellington und Uxbridge und Blücher, Napoleon und Ney und jemanden namens Grouchy. Es klang so, als müsste Jack all diese Namen kennen.
Bitte, lieber Gott, sag mir, dass ich nicht an einem solchen Massaker teilgenommen habe. Sag mir, dass ich mich nicht gegen alles gewendet habe, an das ich geglaubt habe. Mach, dass es eine andere Erklärung für all das gibt.
Er ertappte sich dabei, wie er Livvies Hand ergreifen wollte – abrupt und voller Sehnsucht nach ihrer tröstlichen Berührung. Aber er hielt sich zurück. Er hatte nicht das Recht, Trost von ihr zu erwarten. Noch nicht. Nicht, bis er die Wahrheit kannte.
Er betrachtete ihren geneigten Kopf und dachte daran, wie das Sonnenlicht ihr Haar in Flammen zu versetzen schien und wie sie summte, wenn ihre Erregung wuchs. Wie frei und offen ihr Lächeln war. Gewesen war.
Was hatte er ihr angetan? Was hatte er sich selbst angetan?
»Wie?«, fragte er, und Livvie blickte auf. »Wie bekomme ich meine Erinnerung zurück?«
Sie schien in seinen Augen etwas zu suchen. »Grace wird morgen mit einem Arzt sprechen. Wir müssen warten, bis sie dieses Gespräch geführt hat, ehe wir etwas unternehmen können. Du warst sehr krank, Jack. Wir können kein Risiko eingehen.«
Wenn sie wüsste.
» Meine Familie«, sagte er und klammerte sich an etwas Vertrautes. »Wissen sie Bescheid?«
»Noch nicht.«
Nachdenklich nickte er. Unter keinen Umständen hätte er jemals seine Familie verraten. Seinen Namen. Seine Eltern waren viel zu stolz, und seine älteren Schwestern waren echte Nervensägen. Doch wie hätte er jemals den kleinen Ned oder Georgie verletzen sollen? Er war ihr Held. Ihr Lehrer. Und Maddie und Maude, die an der Schwelle zum Erwachsenwerden standen. Er würde sie alle zerstören.
»Jack?« Mit einem Mal klang Olivia zögerlich.
Er schüttelte den Kopf. »Hat deine Freundin Grace irgendetwas gegen Kopfschmerzen?«
Sofort sprang Olivia auf und legte den Handrücken an seine Schläfe. Diese einfache Berührung versengte ihn, stahl ihm die Luft zum Atmen und löschte Mimis Gesicht in seinem Kopf aus. Beinahe hätte er ihre Hand weggestoßen.
»Keine Temperatur«, stellte sie fest. »Aber Kopfschmerzen können Anzeichen für ein Gehirnfieber sein. Du darfst dich nicht so aufregen, Jack. Du wirst dich schon noch erinnern.«
Er sah auf und bemerkte die Unsicherheit in ihrem Blick. Wovor hatte sie Angst? Vor welcher Erinnerung? Konnte es eine französische Uniform sein? Oder etwas Schlimmeres? Konnte er es ertragen, ihren Respekt zu verlieren, wenn es so war?
Er sollte seinen Mut zusammennehmen und sie fragen.
Doch er konnte es nicht. Er konnte es nicht ertragen, ihrer nicht wert zu sein.
»Warum bist du hier?«, fragte er stattdessen. »Ich glaube, ich war in letzter Zeit nicht sehr freundlich zu dir.«
Sie hob eine Hand, als wollte sie ihn berühren. Aber genau wie er ließ sie sie wieder sinken. »Was hätte ich tun sollen?«
»Es tut mir leid, Liv.«
Abrupt hob sie den Kopf und funkelte ihn an. »Tu das nicht, Jack. Entschuldige dich nicht, ohne zu wissen, wofür.«
»Ich denke, ich sollte es hinter mich bringen, ehe ich das wahre Ausmaß kenne.«
Ihre Miene war starr und undurchdringlich, als sie sich erhob. »Ich glaube, ich hole dir jetzt das Pulver gegen Kopfschmerzen.«
Er konnte nur nicken. »Ja, tu das.«
Ohne einen Blick zurück verließ Olivia den Raum, und er spürte ihre Ablehnung tief in sich. Welches Wissen hatte er in den Schatten seines Verstandes verloren? Es hatte etwas mit ihnen beiden zu tun, etwas Entscheidendes.
Hatten sie ihre Ehe tatsächlich vermasselt? Gab es jemanden, der es ihm erklären konnte? Er wusste nur, dass er sich mit Mimi die Zeit vertrieben hatte, als gäbe es niemanden, der zu Hause auf ihn wartete. Doch wie war das möglich?
Zwanzig Minuten später dachte er noch immer darüber nach, als Livvie wieder ins Zimmer kam. Sie hatte ein Glas mit Flüssigkeit dabei. Ihre Schultern waren gestrafft, und ihre Miene war ausdruckslos, als hätte sie nicht soeben gehört, wie er von seiner Geliebten sprach. Sie war tapfer, seine Livvie. Sie hatte die Stärke eines Soldaten. Und sie trug die Narben, die er ihr zugefügt hatte, wie Kriegsverletzungen.
Sie irrte sich. Er konnte sich entschuldigen, bevor er wusste, welchen Schmerz er ihr zugefügt hatte. Das Problem war, dass sie diese Entschuldigung nicht annehmen würde. Also nahm er das Glas, trank seine Medizin
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