Unverhofft kommt oft
dieser verflog schnell wieder, als Julian nämlich mit seinen Fingern schon wieder überall war. Sie schloss die Augen und lächelte ein übergroßes Lächeln, und dann ließ sie sich ganz auf diesen Augenblick ein, und auf Julian, den der Himmel geschickt haben musste.
8. Kapitel
Als Sofia am nächsten Morgen auf der Arbeit erschien, war sie todmüde, denn sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen – sie hatten Besseres zu tun gehabt. Sie trug noch das Kleid vom Vorabend, denn sie war an diesem Morgen direkt mit Julian vom Marina District hergekommen. Er hatte sie vor der Bäckerei abgesetzt und war selbst zur Galerie weitergefahren.
„Guten Morgen“, rief sie in den Laden.
„Guten Morgen“, erwiderte Roberta. „Warum strahlst du denn so?“
„Nur so“, gab sie zur Antwort.
Sie wollte Roberta noch nichts von der Sache mit Julian erzählen. Ehe sie nicht selbst wusste, was eigentlich daraus werden würde, behielt sie es besser für sich. Zu einer Beziehung war sie eh noch nicht bereit und hoffte, Julian sah das genauso. Aber Spaß haben könnten sie gerne jederzeit. Sie waren gar nicht dazu gekommen, über so etwas zu sprechen – wie gesagt, sie hatten Besseres zu tun gehabt.
Roberta nickte nur, dachte sich aber wohl ihren Teil.
♥
Am Sonntag, Sofias freiem Tag, holte Julian sie schon morgens ab. Sie schlenderten durch die Stadt, hängten sich ans Cable Car, fuhren die Hügel San Franciscos auf und ab. Sie aßen Taccos, spazierten im Fort Mason und aßen eine Riesenkugel Eis. Dann sahen sie sich die Seelöwen am Pier 39 an, die laut oinkten, und Sofia oinkte mit. Manchmal hatte sie beinahe das Gefühl, dass ihre lockere Art Julian etwas peinlich war, so, wie er sich in der Gegend umguckte. Doch damit musste er leben, entweder er nahm sie so, wie sie war, oder er konnte verduften.
Dann aber war dieses Gefühl auch gleich wieder verschwunden und sie küssten sich und tauschten Komplimente und Liebkosungen aus – und Sofia schwebte im Siebten Himmel.
Nachdem sie bei Ghirardelli`s haufenweise Schokolade für Sofia (eigentlich für Jenni) eingekauft hatten, spazierten sie den Fisherman`s Wharf entlang, wo ihnen auf einmal Roberta entgegenkam – und sie war nicht allein. Eingehakt bei einem eher langweilig aussehenden Jungen, der viel besser zu ihr passte als jemand wie Julian, spazierte sie in ihre Richtung. Sobald sie sie entdeckte, verfinsterte sich ihr Blick. Es sah fast so aus, als wollte sie reaktionslos an ihnen vorbeigehen, weshalb Sofia sich ihr schnell in den Weg stellte. „Hallo Cousinchen!“
„Hallo“, erwiderte Roberta, ohne dabei Julian zu beachten.
„Mit wem bist du unterwegs? Willst du mir deine Begleitung nicht vorstellen?“
Widerwillig sagte Roberta: „Chris, das ist meine Cousine Sofia. Sofia, das ist Chris, mein … Freund.“
Sofia bekam große Augen. „Oh“, sagte sie und schüttelte Chris die Hand. „Nett, dich kennenzulernen.“
„Ganz meinerseits“, sagte Chris schüchtern.
Chris sah aus wie achtzehn, er hatte wilde schwarze Locken, trug eine Nerd-Brille, Jeans, Chucks und ein Simon & Garfunkel-T-Shirt. Er sah interessiert und etwas ängstlich zu Julian. Wusste er, wer er war?
„Das ist Julian“, stellte sie ihn schließlich schlicht vor. Chris schüttelte auch ihm die Hand.
Jetzt war es also raus. Sofia hatte was mit Julian. Roberta hatte was mit Chris.
„Was für ein Milchbubi“, stellte Sofia fest, als sie weitergingen. Sie blickte sich noch einmal nach ihnen um.
„Freu dich doch für sie, dass sie jemanden gefunden hat.“
„Das tue ich ja“, sagte sie. Doch irgendetwas machte sie noch immer stutzig bei der Art, wie Roberta Julian ansah. Wenn sie nur endlich wüsste, was damals vorgefallen war.
♥
Sofias letzte Woche in der Bäckerei begann. Sie konnte kaum glauben, wie perfekt zurzeit alles lief. Diese nervtötende Tätigkeit – die ihr am Ende doch anfing, ein wenig Spaß zu machen – wäre bald erledigt. Sie hatte eines ihrer Portraits an den Mann gebracht und Julian sagte, dass es für die beiden anderen auch schon Interessenten gab. Mit Julian hatte sie einen echten Glücksgriff gemacht, nicht nur geschäftlich. Es lief super zwischen ihnen, in jeder Hinsicht. Und ihrem Vater ging es von Tag zu Tag besser, was sie ungemein freute, genau wie den Rest der Familie. Natürlich am allermeisten, weil er gesundheitlich das Schlimmste überstanden hatte, doch auch, weil bald alles wieder seinen gewohnten Gang
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