Unverhofft kommt oft
nehmen konnte. Die Kunden vermissten Francesco, Sofia war kein guter Ersatz, was sie vom ersten Tag an gewusst hatte, aber sie wollte ihren Papà auch gar nicht ersetzen, sie wollte nur versuchen, es irgendwie zu schaffen, das Geschäft aufrecht zu erhalten.
„Ich bin sehr stolz auf dich, Fifi“, sagte er am Mittwoch.
Er saß bei einem Kaffee und der Zeitung an einem der Tische und beobachtete nicht nur die Kundschaft, sondern auch seine Mitarbeiter. Man konnte sehen, dass er Hummeln im Hintern hatte und es kaum noch aushielt, bis er endlich wieder seine Kunden selbst bedienen durfte. Doch sein Arzt sowie Carla hatten ihn ermahnt, es langsam angehen zu lassen und wenigstens noch diese eine Woche abzuwarten. Schweren Herzens hatte er eingewilligt. Diese eine Woche noch würde er Sofia das Ruder überlassen, doch dann würde alles wieder auf sein Kommando hören. Bis dahin saß er da und unterhielt sich mit dem einen oder anderen Kunden, tauschte Klatsch und Tratsch aus und lobte Sofia, was Alessia, die den ganzen Tag schwanger in der Backstube stand und es mitanhörte, wieder rasend machte.
Seit der Begegnung am Sonntag hatten Sofia und Roberta kaum ein Wort miteinander gewechselt. Sofia wurde es langsam zu dumm. Ihre Cousine hatte doch einen neuen Freund, was hatte sie denn immer noch für ein Problem damit, dass sie sich mit Julian traf? Sie wollte es gar nicht ernst nehmen, wollte gar nicht darauf eingehen, doch Robertas eiskalte Art machten sie ganz wahnsinnig. Nach der Arbeit also sprach sie sie doch darauf an. „Sag mal, was ist eigentlich dein Problem?“
„Ich habe kein Problem.“ Sie wandte sich ab und latschte davon.
Sofia lief ihr hinterher. Sie packte sie an der Schulter. „Nein, jetzt reicht`s mir langsam. Ich will wissen, was los ist. Sag mir, was vorgefallen ist!“
„Ich weiß gar nicht, wovon du redest. Nichts ist vorgefallen“, versuchte Roberta es, nicht sehr überzeugend.
„Bullshit! Wie du Julian gegenüber bist und, seit ich mich mit ihm treffe, auch mir gegenüber. Was haben wir dir denn getan? Bist du eifersüchtig? Du hast doch jetzt Chris.“
„Das ist es nicht“, sagte Roberta und Sofia glaubte ihr.
„Was ist es denn dann?“ Sie wollte es jetzt endlich wissen.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht darüber reden kann.“
„Aber warum denn nicht? Was ist denn nur geschehen, dass du so ein Geheimnis daraus machst? Hat er dir etwa wehgetan?“
Roberta sah zu Boden. „Sehr sogar.“
„Etwa körperlich? Hat er dich geschlagen? Oder etwas getan, was du nicht wolltest?“
Jetzt war Sofia ganz aufgebracht.
„Nein, nichts dergleichen“, sagte Roberta und schüttelte den Kopf. „Nicht physisch. Er hat mir einfach so sehr wehgetan, mich zutiefst verletzt.“
So, wie sie es sagte, wusste Sofia plötzlich, dass etwas Gewaltiges dahintersteckte, und sie wäre natürlich auf Robertas Seite. Sie war Familie und Familie war stärker als alles. Sie nahm die Hand ihrer Cousine in ihre und sagte sanft: „Bitte, Roberta, du musst es mir sagen. Bitte. Oder willst du, dass er mich genauso verletzt?“
Das war wohl das Stichwort, um Robertas Schweigen zu brechen. „Ich habe ihr mein Versprechen gegeben, dass ich nichts sage. Aber vielleicht solltest du sie mal selbst fragen.“
„Wen denn?“ Nun verstand sie überhaupt nichts mehr. Es war noch jemand anderes involviert?
„Deine Schwester.“
9. Kapitel
Es ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Was zum Teufel hatte Alessia mit Julian zu tun? Sie hatte so geschockt da gestanden, dass Roberta sich aus dem Staub gemacht hatte, bevor sie noch etwas fragen konnte. Und selbst weitere Fragen hätten sie bei ihrer Cousine nicht weitergebracht. Ihre Schwester war es, mit der sie dringend unter vier Augen reden musste.
„Alessia, kann ich mal mit dir sprechen? Es ist wichtig!“, flüsterte sie Alessia am nächsten Tag zu, als sie vormittags in die Backstube kam. Alessia formte gerade Hefezöpfe.
„Was kann schon so wichtig sein, dass es nicht bis nach der Arbeit Zeit hat?“, fragte sie.
„Komm sofort mit!“, befahl Sofia und Alessia folgte ihr nach draußen.
Sie gingen ein paar Meter die Straße runter, außer Hörweite der Bäckerei, denn Carla hatte ihre Ohren überall. Wahrscheinlich dachte sie gerade jetzt, dass Sofia Alessia fragte, wie man einen Schwangerschaftstest benutze.
„Bist du verrückt geworden? Zieh nicht so an mir!“, schimpfte Alessia.
„Tut mir leid.“ Sie ließ sie los.
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