Unverhofft verliebt
Kostümjacken nicht mehr passten, weil ihre Oberweite explosionsartig zugenommen hatte. Für sie war es das erste Zeichen, dass es ihrem Baby wirklich gut ging. Claire konnte gar nicht sagen, wie groß ihre Erleichterung war.
Erleichtert hatte sie auch zur Kenntnis genommen, dass ihr Boss mit der Schwangerschaft seiner Angestellten, die immerhin einen der wichtigsten Aufträge betreute, kein Problem zu haben schien. Mr. Morris war ein älterer und konventioneller Mann, der keine onkelhaften Bemerkungen zu ihrer ledigen Schwangerschaft gemacht, sondern ihr formvollendet gratuliert und anschließend geschäftsmäßig über den Fortgang des Projekts gesprochen hatte. Natürlich tuschelten ihre Kolleginnen darüber, dass sie keinen Freund hatte und trotzdem schwanger war, aber wenigstens hielten sie vor ihr die Klappe. Auch ihrer Mutter hatte Claire mittlerweile reinen Wein eingeschenkt, auch wenn sie die Art der Zeugung des Babys so gut wie möglich unter den Tisch hatte fallen lassen. Glücklicherweise war ihre Mutter viel zu aufgeregt gewesen, um ihr irgendwelche peinlichen Fragen zu stellen.
Als ihr Telefon klingelte, warf sie den Stift beiseite und bemerkte Livs Nummer auf dem Display.
„Hallo , Geburtstagskind! Ich hoffe, du zwingst mich nicht, dir am Telefon ein Ständchen zu bringen.“ Entspannt lehnte sie sich zurück und schaute sich in ihrem friedlichen Büro um. Nach ihrer Beförderung vor zwei Jahren war sie aus dem Großraumbüro in ihr eigenes Reich umgezogen und genoss seitdem eine himmlische Ruhe. Zwar konnte sie durch eine verglaste Wand sehen, was im Hauptraum der Agentur passierte, aber meistens zog sie sowieso die Jalousien zu, damit sie ungestört arbeiten konnte. Claire mochte das Gefühl, beobachtet zu werden, einfach nicht und war froh, wenn sie in aller Abgeschiedenheit über ihrem Projekt sitzen konnte, ohne dass jemand sie durch die riesigen Fenster anstarrte.
Bevor Liv ihre Elternzeit angetreten hatte, hatten sie in aneinander angrenzenden Büros gearbeitet, was ziemlich cool gewesen war. Es hatte etwas für sich, mit der besten Freundin zu arbeiten, auch wenn das bedeutet hatte, dass andere Kolleginnen zickig geworden waren, da Claire und Liv meistens die interessantesten Aufträge zugeteilt worden waren. Mittlerweile wusste Claire auch, weshalb sie lieber mit ihren männlichen Kollegen zusammenarbeitete. Männer konnten zwar auch neidisch werden, wenn man erfolgreicher war als sie, aber Frauen kämpften mit völlig anderen Mitteln und wurden teilweise richtig biestig.
„Brianna singt mir schon den ganzen Tag Happy Birthday vor. Ich denke, ich kann vorerst darauf verzichten, dass du mit dem Singen anfängst.“
„Dann warte ich auf heute Abend.“ Sie wurde etwas ernster. „Alles Liebe, Liv. Du hast es dir redlich verdient.“
„Das ist lieb“, erklang Livs Stimme augenblicklich aus dem Hörer. „Störe ich dich bei der Arbeit?“
„Ich bin gerade in meiner Mittagspause“, erwiderte Claire fröhlich.
„Hoppla. So fröhlich? Hast du eine Gehaltserhöhung bekommen, von der ich noch nichts weiß?“
„Besser“, lachte Claire. „Ich habe Müsli zum Frühstück gegessen und mir gerade ein Truthahn-Sandwich gekauft, das fabelhaft schmeckt. Nicht eine Sekunde war mir übel.“
„Gott sei Dank“, erklang Livs inbrünstige Stimme. „Das wurde aber auch Zeit. Dann kannst du heute Abend die Snacks richtig genießen. Ich stehe schon den ganzen Tag in der Küche.“
Claire konnte gegen das vergnügte Prusten nichts tun. „ So gut geht es mir auch wieder nicht, Liv.“
„Vielen Dank“, ächzte ihre Freundin. „Den Wink mit dem Zaunpfahl habe ich schon verstanden. Gut, dass ich ein paar Pizzen bestelle.“
„Sei nicht so knauserig, immerhin habt ihr ein ganzes Football-Team zu Gast. Ich kenne sonst keine Menschen, die so gefräßig sind!“
„Keine Sorge“, stöhnte Liv. „Manchmal weiß ich gar nicht, weshalb ich mir die Mühe mache, für alle zu kochen, wenn sie sich sowieso auf die Pizzen stürzen und meinem Essen keine Beachtung schenken.“
Claire hielt wohlweislich die Klappe. „Was hast du von Julian zum Geburtstag geschenkt bekommen?“
„Eine Karaokebox“, ihre Stimme klang gleichzeitig nach einem Lachen und einem Seufzen. „Den ganzen Tag trällert er mit Brianna in die Mikrofone. Anfangs war es echt süß, aber mittlerweile befürchte ich, dass die Nachbarn noch die Polizei rufen, weil sie glauben, dass wir hier irgendwelche Tieropfer darbringen. Das
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