Unverhofft verliebt
Haarschopf auf Claires Schulter. „Du weißt, wie lieb ich dich habe, oder?“
Claire war sich im Klaren, dass Grant sie interessiert beobachtete, während ihre Mom das Geschehen mit amüsierter Miene ignorierte, schließlich war dies nicht das erste Mal, dass ihre jüngste Tochter sich bei Claire einschmeichelte, um ihr irgendetwas abzuschwatzen.
Da sie nicht anders konnte, gab Claire ihrer Schwester einen Kuss auf die Stirn und erklärte freundlich, aber bestimmt: „Das weiß ich, dennoch ziehst du das Kleid wieder aus.“
Sabrinas sonnigem Gemüt tat dies keinen Abbruch. Sie begann zu feilschen. „Gehen wir von dem Offensichtlichen aus. Du kannst das Kleid momentan sowieso nicht tragen. Also“, geschäftsmäßig hob sie beide Hände, „gibst du es mir zur Verwahrung, damit ich darauf aufpassen kann ...“
„Aufpassen?!“
„Genau.“
Nun musste Claire glucksen. „So wie du auf meine Jimmy Choos aufgepasst hast? Täusche ich mich, oder hatte der linke Schuh keinen Absatz mehr?“
„Das war ein bedauernswerter Unfall“, Sabrina lächelte breit und fuhr mit beiden Händen über den schimmernden Stoff des engen Cocktailkleides, das ihr wie angegossen passte, wenn man davon absah, dass ihre Oberweite das Kleid nicht ganz ausfüllen konnte.
Claire warf Grant einen verstohlenen Blick zu. Die meisten Männer konnten ein Kleid nicht von einem Hosenanzug unterscheiden, daher war sie sich nicht sicher, ob er sich daran erinnern konnte, dass sie dieses Kleid am Valentinstag getragen hatte, als sie sich in der Bar kennengelernt hatten. Doch sein funkelnder Blick sagte ihr, dass er sich nur zu gut an das Kleid erinnern konnte.
Sabrina seufzte begeistert auf. „Kann ich deine schwarzen Plateau-Sandaletten dazu anziehen?“
„Nein“, Claire runzelte die Stirn. „Ich kann mich nicht erinnern, dir erlaubt zu haben, das Kleid anzuziehen. Und ganz sicher leihe ich dir nicht meine Schuhe, nachdem du mein Lieblingspaar bei einem Rockkonzert zerstört hast.“
„Aber, Claire ...“
„Liebling“, mischte sich nun auch ihre Mom ein. „Wir wollen gleich essen. Zieh dich bitte um.“
„Okay“, feilschte Sabrina weiter. „Ich ziehe es jetzt aus, aber wenn ich heute Abend weggehe, darf ich es anziehen, ja?“
„Kommt gar nicht infrage“, Claire schüttelte vehement den Kopf und spürte, wie ihr Beschützerdrang erwachte. Ihre kleine, zweiundzwanzigjährige Schwester sollte ganz bestimmt nicht in diesem Kleid durch New York laufen. Sabrina war wie sie in Ohio aufgewachsen und ging nun auf die Ann Arbor in Michigan. Zwar war sie sehr selbständig und nicht unbedingt der Prototyp eines Landeis, dennoch hatte Claire Bedenken, Sabrina einfach auf das New Yorker Nachtleben loszulassen, in dem sich – wie sie aus Erfahrung wusste – die verrücktesten und gestörtesten Freaks des Landes tummelten. Wenn Sabrina dann auch noch Claires heißeste Outfits trug, sah sie schon kommen, dass sie morgen einen Anruf bekäme, weil sich Claire auf der Südamerikatournee irgendeiner Rockband befand.
„Aber warum denn nicht?“
„Weil ... weil ... weil ich es sage“, erwiderte sie, da ihr einfach nichts Besseres einfiel, schließlich konnte sie schlecht damit argumentieren, dass das Kleid zu sexy für Sabrina war, wenn sie es selbst getragen hatte.
„Oh, komm schon“, lachte Sabrina los. „ Mom, sag doch auch etwas!“
„Es ist ein sehr schönes Kleid“, ihre Mutter rümpfte gutmütig die Nase und versuchte, zwischen beiden Schwestern zu vermitteln. „Vielleicht ist es etwas zu chic für dich, Liebling.“
„Wir haben Freitagabend. Was soll ich denn sonst anziehen? Gummistiefel und Holzfällerhemden?“ Sie schaute Grant auffordernd an. „Das Kleid ist cool, oder?“
„Sehr cool“, bestätigte er.
„Siehst du!“ Triumphierend nickte sie Claire zu und hob die rechte Hand, damit Grant einschlagen konnte, was er gleich darauf tat.
„Natürlich ist das Kleid cool “, erwiderte ihre Mom. „Trotzdem wirkt es etwas offenherzig.“
„Claire hat es auch getragen!“
„ Claire ist auch dreiunddreißig Jahre alt und nicht erst zweiundzwanzig“, betonte Claire und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sei nicht so spießig, Schwesterherz“, wieder sah sie Grant an. „Finden Sie nicht auch?“
„Claire ist alles andere als spießig“, er legte den Kopf schief und blickte Claire eindringlich an. „Mir gefällt das Kleid, immerhin habe ich dich darin kennengelernt.“
„Eben darum soll sie es nicht
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