Unverkäuflich!
und einen Burschenverein in Dürrnhaar und die A 8 ist nicht weit. Mein erstes Büro: ein fensterloser Kellerraum, darin ein Schreibtisch, ein Telefon, ein Faxgerät. In der Doppelhaushälfte wurde es eng. Ich hörte die Kinder spielen, wenn ich im Büro saß. Joseph Hummer alias Onkel Seppi war eingezogen, der Bruder meiner Mutter. Eigentlich hatte Seppi, ein gelernter Bauingenieur, ein warmherziger Mensch, der nie seine gute Laune und Ausgeglichenheit verliert, nur kurz aushelfen wollen, aber er verlängerte seinen Besuch Woche um Woche und blieb schließlich ganz. Er bezog ein Zimmer von der Größe einer Besenkammer. Nach dem Tod meines Großvaters war auch Tante Resi, seine Schwester, zu uns gestoßen, weil sie sich einsam fühlte. Tante Resi wurde für die Kinder eine gute Oma und wir bauten den Speicher für sie aus. Onkel und Tante wurden wichtige Konstanten in unserem Leben, Fixsterne unserer Familie, und ich bin dankbar für die Jahre, die wir gemeinsam verbrachten. Aus dem jungen Ehepaar Dekeyser war eine Großfamilie aus drei Generationen geworden – inklusive eines Au-pair-Mädchens aus Norwegen – und in unserer Doppelhaushälfte tobte das Leben.
Ich hatte alle Angebote, als Profifußballer zu arbeiten, abgelehnt, um auf Skier zu setzen. Auf Skier, besprüht mit den Gesichtern von Hollywoodstars, mit Kussmündern oder dem Logo von 1860 München. Unser Nachbar Schorsch, ein gelernter Hufschmied, kannte sich praktischerweise mit der Airbrush-Pistole aus, und als ich mich auf dem Markt für Wintersportgeräte umsah, stieß ich sofort auf ein Schnäppchen. Eine Firma bot ihre Produkte zu einem überaus günstigen Preis an und ich kaufte gleich tausend Rohlinge. Was den Vertrieb betraf, ging ich innovative Wege. Ich setzte Hoffnungen in eine Verkaufsausstellung, die Schwager Donapai in seiner Pizzeria unterbrachte. Schorsch trat mit mir im bayerischen Frühstücksfernsehen auf, was uns zumindest in der Nachbarschaft einiges Interesse bescherte. Schorsch, Frühstücksfernsehen, das sagenhaft preiswerte Material: Wir waren auf dem Weg nach oben, das spürte ich, und als im Nachbardorf ein Kuhstall frei wurde, tausend Quadratmeter groß, mietete ich das Objekt. Natürlich musste noch einiges daran renoviert werden, der Dunggeruch sollte verwehen. Mir fehlte, so rechnete ich aus, für die nächste Saison knapp eine halbe Million Mark. Der Bankangestellte, bei dem ich vorstellig wurde, schmunzelte leicht gequält, als ich ihm von meinen Plänen erzählte. Ich hatte nach meinem Unfall keine Invalidenrente beantragt (weil ich das nicht ehrlich fand), ich konnte kein festes Gehalt vorweisen und die Ideen erschienen nicht originell genug, um eine halbe Million darauf zu setzen. Ich ging spazieren, wanderte stundenlang und weit über Bayerns Felder – und hatte eine Idee. Ein Bauer aus der Nachbarschaft hatte von seinen Eltern viel Ackerland geerbt, aber wenig Kapital. Er benötigte Geld für einen neuen Traktor. Ich kannte ihn, weil ich ihm auf dem Feld geholfen, mit ihm Kühe gemolken hatte und weil unsere Kinder manchmal Pony bei ihm ritten. Ich besuchte ihn und erklärte, was ich vorhatte: Mit seinem Land sollte er für meine halbe Million bürgen, dafür kaufte ich ihm einen Traktor und zahlte ihm eine Rendite. Der junge Bauer willigte sofort ein. Am nächsten Tag fuhren wir zum Notar. Seine Mutter weihte er lieber nicht ein, und dass ihm nach anfänglicher Begeisterung Zweifel kamen, bemerkte ich, als er seine Unterschrift leistete. Der Stift zitterte. »Kein Sorge, das wird funktionieren«, redete ich ihm zu, im Wissen, dass ich seine Familie in arge Nöte bringen würde, sollte es schiefgehen. Um es vorwegzunehmen: Ich habe ihm einen Traktor gekauft und jeden Pfennig zurückgezahlt. Verantwortung zu übernehmen gehört immer zum Unternehmertum dazu. Fehler haben Auswirkungen auf Leute, die man mag, und im Laufe der Zeit werden es in der Regel mehr, die Fehler spüren. Das ist auch der Grund, warum ich keinen Unternehmer kenne, der Ruhe mag. Als Unternehmer hat man ein eingebautes Unruhesystem, man bewegt sich in einem permanenten Alarmzustand. Man trägt das Risiko, für sich, für die eigene Familie, aber eben auch für andere. Vor allem dann, wenn man vorgeht wie ich: mit hohem Einsatz. Ich finde, dass Geld in Bewegung sein muss. Geld des Geldes willen zu vermehren, interessiert mich nicht. Warum sollte man das tun? Geld ist zum Ausgeben da, und nur wer bereit ist, das Geld laufen zu lassen, hat
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