Unverkäuflich!
erste Produktionsstätte war in einer fensterlosen Halle untergebracht, zuerst waren es sechs Arbeiter, dann fünfzehn, bald vierzig. Es war eine anstrengende Zeit, denn Hervé und ich reisten oft nach Asien, wir flogen hin und her, immer auf den billigsten verfügbaren Plätzen, und übernachteten entweder auf einer Pritsche im Büro oder in einem kleinen Zimmer, das unsere Geschäftspartner zur Verfügung stellten. Ein Leben im Dauerjetlag, mit Erkältungen und Überstunden. Manny und Aida wohnten hier mit ihrem Sohn, einem jungen Erwachsenen. Die Kosten für den Aufbau der Produktion stiegen stetig, was uns verwunderte, denn wir konnten nicht erkennen, dass neue Maschinen bestellt wurden; wir bezahlten bar, in amerikanischen Dollar, denn es war damals noch kompliziert, Geld auf ein philippinisches Bankkonto zu transferieren. Manny und Aida hatten mehrfach betont, dass es die Dinge für sie vereinfachen würde, und wir vertrauten ihnen. Das kann man rückblickend »naiv« nennen. Bis heute glaube ich trotz mancher Niederlagen an das Geschäftsmodell von »Family & Friends«, auch wenn es anstrengend sein kann, mit Familienangehörigen und Freunden berufliche Dinge regeln zu müssen. In einer Familie und unter Freunden aber ist das Vertrauen am stärksten ausgeprägt. Natürlich erlebt man auch hier Enttäuschungen, auf die ich aber nicht eingehen möchte, weil zu meinen Grundprinzipien auch gehört, keine Sekunde mit Gedanken an Menschen oder Ereignisse zu verschwenden, die es nicht wert sind, in meinen Gedanken einen Platz zu finden. Das Modell der »Family & Friends« hat sich bewährt, weil sich in einem Familienunternehmen private und berufliche Dinge ohnehin oft überschneiden.
Im Falle von Manny und Aida war mein Vertrauen nicht berechtigt. Vor dem Haus parkten zwei neue Motorräder, der Videorekorder war neu, die Fernseher ebenfalls, und als sich Hervé erkundigte, ob auch der Laptop neu war, wussten wir schon vor der Antwort, dass etwas nicht stimmte. Von den Maschinen, die angeschafft werden sollten, auch von den Schweißgeräten, war nichts zu sehen, das Lager der Aluminiumrohre sah dürftig aus und die Erklärungen über Lieferengpässe oder Verteuerungen und die schwierige Lage überzeugten uns kaum noch. Was ging hier vor? Viele tausend Dollar hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt investiert. In der Produktion nahm uns eines Morgens ein Mann zur Seite: »Ihr werdet betrogen«, raunte er mir zu. Er stellte sich als Mannys Cousin vor, könne aber nicht mehr verraten, denn er lebe gefährlich. »Ihr werdet von der Familie beobachtet. Ihr werdet auf Schritt und Tritt observiert. Passt auf euch auf und fragt die Sekretärin, sie weiß, wie ihr mich findet«, sagte er noch und dann verschwand er. Wir erschraken – das klang nach einem billigen Agentenkrimi, aber vor allem nach Problemen, die uns die Existenz kosten konnten. Die Sekretärin drückte uns einen Zettel in die Hand, darauf eine Uhrzeit, die Anschrift eines Hotels und eine Warnung: Achtet auf mögliche Verfolger und schüttelt sie ab! Das Hotel befand sich auf der anderen Seite der Stadt, auf einer Halbinsel, mit einer eigenen Pier, was uns auf eine Idee brachte: Wir fuhren hinunter zum Hafen und charterten einen Katamaran. Es sollte wie ein Badeausflug aussehen, doch als wir ein Stück von der Küste entfernt waren, gaben wir dem Skipper Order, auf das Hotel zuzuhalten und zu kreuzen; sollte man uns von Land aus mit Ferngläsern beobachten, sah es aus, als würden wir Segelstunden auf dem Meer genießen. Wir sprangen ins Wasser und schwammen zum Hotel, gingen an Land und besorgten uns an der Rezeption trockene Kleidung. Der geheimnisvolle Cousin wartete an der Bar. Was er nun berichtete, übertraf unsere schlimmsten Befürchtungen. »Manny und Aida haben mit eurem Geld eine Nebenproduktion aufgebaut. Keine Rechnung stimmt. Sie haben auch die Faser und die Aluminiumrohre umgeleitet. In der Produktion arbeiten beinahe nur Mitglieder ihrer Familie, und sie haben euch als Kunden vorgestellt, nicht als Inhaber der Firma. Alle denken, ihr seid Mannys Kunden, auch der Sicherheitsdienst. Wenn ihr etwas dagegen unternehmt, werden sie euch nicht mehr auf das Gelände lassen«, verriet er uns. Und seine Warnung war klar. Viele tausend Dollar bedeuteten viele tausend Gründe, jemanden verschwinden zu lassen. Dass er uns den Betrug anvertraute, brachte den Cousin ebenfalls in Gefahr; seine Motivation war Rache, denn er fühlte sich finanziell benachteiligt.
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