Unverkäuflich!
Technik, sollten Künstler, Sänger und Schauspieler auftreten können. Lebenslust ist unser Leitmotiv. Ein Leitbild mit irgendwelchen künstlichen Mottos und Paragrafen gab es für uns nie. Es ist eher ein Leitgefühl, geprägt von einem Gedanken: Wie möchte ein Mensch arbeiten und leben? Ich sehe vor meinem inneren Auge dann immer einen Bauernhof oder einen Zirkus, vor allem sehe ich eine Gruppe, die harmonisch miteinander umgeht und die etwas erlebt. Ich ließ regelmäßig den Dedon-Heißluftballon hochfahren, engagierte einen Tanzlehrer und einen Sprachtrainer, bestellte das Essen von einem italienischen Restaurant. Wir feierten rauschende Sommerfeste und wir trieben viel Sport. Als Unternehmer schaffe ich diesen Rahmen, das war immer mein Ziel. »Nur ein zufriedener Mitarbeiter erfindet einen bequemen Stuhl«, wurde zu einer Art Firmenphilosophie. Wir verkaufen nicht nur Möbel, wir stehen für ein Lebensgefühl. Wir wollen Leichtigkeit ins Leben bringen, Eleganz, aber eben auch eine Atmosphäre entspannter Geselligkeit. Wie soll das funktionieren, wenn wir arbeiten wie Roboter?
Damit sich ein Mitarbeiter wohlfühlt, muss man ihn sein Ding machen lassen. Eigenständigkeit ist wichtig, Vertrauen, auch die Fähigkeit, Fehler nicht überzubewerten. Fehler passieren, und mir ist es lieber, jemand gibt sein Bestes und versucht viel, statt vor Furcht, bloß nichts falsch zu machen, in eine Beamtenstarre zu verfallen. Umgekehrt erwarte ich Offenheit und Ehrlichkeit, fordere Fairness ein und auch die Bereitschaft, sich einzuordnen. Aus meiner Fußballerzeit habe ich die Tradition, bei Geschäftsreisen Doppelzimmer zu buchen, beibehalten. Erst konnten wir uns gar nichts anderes leisten – schon ein Doppelzimmer für zwei galt damals als Luxus – und später mochte ich es nicht ändern. Man lernt einander besser kennen in einem Doppelzimmer, und neue Mitarbeiter, denen das nicht behagte und die auf ihrem Einzelzimmer bestanden, hatten einen miesen Start ins Unternehmen. Bis heute habe ich kein festes Büro, keine Sekretärin, keine Assistentin. Mich ruft auch kaum jemand an. Ich bin nicht greifbar, nicht fassbar, ich lasse mich nicht vereinnahmen. Ich bleibe auf diese Art immer frei, ich kann meine Zeit und meine Interessen selbst einteilen. Die Kunst ist es, trotzdem den Überblick zu behalten. Bin ich ein Patriarch? Bestimmt nicht, aber ich gebe trotzdem deutlich die Richtung vor. Ich bin eher ein freundlicher Kapitän, könnte man sagen, denn ein Schiff steuert sich auch nicht von alleine in den Hafen. Als die Zahl der Mitarbeiter rasant wuchs, kam es niemandem in den Sinn, einen Betriebsrat zu gründen. Einen Betriebsrat halte ich für überflüssig, er könnte bei uns höchstens die Farbe der Fußbälle aussuchen.
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Wichtig ist es, für eine Komfortzone zu sorgen, aber gelegentlich auch für eine gewisse Unruhe in dieser Komfortzone. Onkel Seppi und ich fuhren oft mit meinem roten Pick-up durch Lüneburg, um Platz für ein Lager zu suchen. Das Problem fehlender Bürofläche war zwar gelöst, doch noch immer benötigten wir Platz, am besten eine große Halle oder eine Scheune. Als wir durch das Industriegebiet an der Zeppelinstraße kurvten, entdeckten wir ein Schild – und ich kontaktierte sofort den Makler. Wie sich herausstellte, gehörte das Gelände einer japanischen Firma, die mit mehreren hundert Mitarbeitern Unterhaltungselektronik herstellte, Fernseher, DVD-Player, CD-Player. Die komplette Geschäftsleitung war angetreten, um mir das Gelände zu zeigen. Es umfasste, wie ich erfuhr, insgesamt fünf Hektar Grundfläche und elftausend Quadratmeter Büro- und Lagerraum. Die Produktionshallen, in denen Geräte an langen Förderbändern zusammengesteckt wurden, waren gewaltig, und es gab dutzende Toiletten und noch mehr Duschen. Ich hatte eine Halle mieten wollen, keinen Flugzeughangar. Um nicht das Gesicht zu verlieren, klopfte ich hier und dort mal an die Wand, um einen möglichst fachmännischen Kommentar abzugeben. Am Ende des Rundgangs war mir klar, dass dieses Gelände ungefähr zehn- bis fünfzehnmal zu groß für unsere Bedürfnisse war. Zu vermieten war es obendrein auch nicht, sondern nur zu verkaufen, wie mir der Makler eröffnete. Für neun Millionen Euro.
»Nun, Herr Dekeyser, was halten Sie davon?«, fragte der Makler.
»Das Areal ist toll, aber eigentlich brauche ich es nicht«, entgegnete ich, »ich biete eine Million Euro, in bar.«
Der Makler hustete erschrocken, als habe er sich
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