Unvermeidlich
sie etwas möchten.
Kati sitzt mir gegenüber auf der Couch, mit einem Arm um Bens Schultern, der furchtbar geknickt aussieht. Er liebt Anna wie eine Schwester.
„Sie finden ihn, Dani. Da bin ich sicher. Er kann nicht so wahnsinnig sein, wirklich mit ihr wegzugehen.“
Kati weiß zwar einiges, aber noch längst nicht alles, was mit Steffen gelaufen ist. Deswegen ist ihr auch nicht klar, was ich ihm inzwischen zutraue. Sein Kind interessiert ihn in der ganzen Geschichte kaum, es geht ihm hauptsächlich darum, mir eins auszuwischen, weil er Alex und mich erwischt hat.
Ich bringe nur ein halbherziges Lächeln zustande.
Jakob kommt mit Paul und meinem Papa von draußen rein. Sie stinken nach Zigaretten. Ein befremdlicher Geruch in meiner nikotinfreien Wohnung. Warum mich das jetzt stört, ist mir unbegreiflich. Am liebsten möchte ich, dass sie alle verschwinden. Herumsitzen hilft mir nicht und das kann ich außerdem ganz wunderbar ohne ihre Unterstützung. Ich bin nicht fair, das ist mir bewusst, aber ich will nur mein Kind zurück.
„Ich hab gerade mit Alexander telefoniert. Er hat uns ein paar Stellen genannt, die wir abklappern können. Wir fahren noch mal los“, verkündet Jakob. Ich bin erleichtert, dass er sich wenigstens heute Alex gegenüber zivilisiert verhalten kann.
„Ich komme mit!“ Ben springt von der Couch auf und nimmt seine Jacke vom Sessel, doch Paul legt ihm eine Hand auf die Schulter. „Großer, ich weiß, du willst helfen. Aber bitte bleib bei den Frauen.“ Was er eigentlich sagen will, ist, dass er nicht weiß, was sie eventuell erwarten könnte.
„Kati, bitte!“, fleht er seine Schwester an.
„Paul hat recht, Ben. Du bleibst hier.“
Er will protestieren, doch da habe ich einen Einfall, der eine sinnvolle Ablenkung für ihn ist. Ich bin nämlich auch nicht der Meinung, dass er da noch mit reingezogen werden muss.
„Ben, würdest du mir einen Gefallen tun?“ Sofort habe ich seine Aufmerksamkeit. Ich weiß selbst nicht, wie ich es schaffe, nach außen hin die Ruhe zu bewahren.
„Klar, Dani. Was kann ich machen?“
Ich nehme den Laptop vom Beistelltisch neben mir und drücke ihm den in die Finger.
„Kannst du schauen, ob er bei Facebook in den letzten Stunden etwas gepostet hat, was darauf schließen lässt, wo er ist? Ich kann im Augenblick nicht klar denken und es wäre genial, wenn du das übernehmen könntest.“
„Kein Problem, ich mache mich sofort daran.“ Er lässt sich wieder auf die Couch sinken und geht direkt an die Arbeit.
Kati schenkt mir ein dankbares Lächeln. Dabei war das wirklich nicht nur ein Ablenkungsmanöver.
Meine Mutter stellt eine Kanne Tee mit vier Tassen auf den Tisch und bringt dann noch die Männer zur Tür, ehe sie sich wieder zu uns gesellt.
Inzwischen ist es dunkel und es gibt immer noch keine Neuigkeiten. Ich bemühe mich, nicht zusammenzubrechen, doch innerlich schnürt es mir die Luft ab. Mein Baby ist da draußen, mit einem verantwortungslosen, narzisstischen Egomanen, der noch nie etwas getan hat, was nicht ihm zum persönlichen Vorteil war. Jetzt ist es nur noch blanke Angst, die meinen Körper dominiert. Mit dem Kopf in ihrem Schoß, habe ich mich neben Kati zusammengerollt. Mich übergeben, losschreien oder wegrennen, ich kann mich nicht entscheiden, was ich zuerst tun soll.
„Ich muss hier raus“, würge ich hervor und stemme mich dabei von der Couch hoch. Meine Mutter, die sich gerade mit einem Wäschekorb voll frisch gewaschener Handtücher beschäftigt, schreckt auf. Sie legt einen Stapel Waschlappen beiseite und beobachtet mich, wie man ein wildes Tier anschaut, von dem man erwartet, dass es einen jeden Moment anspringt.
Ich bin kurz davor, mir die Schuhe anzuziehen und mich an der Suche zu beteiligen, als mein Festnetztelefon klingelt. Erschrocken fahre ich zusammen. Meine Mutter sitzt am nächsten zu dem Mobilteil, das auf dem Couchtisch liegt. Ohne Zögern nimmt sie das Gespräch einfach an und ausnahmsweise bin ich froh über diesen elterlichen Übergriff.
Sie meldet sich noch nicht einmal mit dem Namen, sondern stellt direkt auf Freisprechen und legt den Hörer auf den Tisch.
„Ich hab sie gefunden“, höre ich Alex‘ Stimme, die einen Heulkrampf bei mir auslöst. Mit den Armen umschlinge ich meinen Brustkorb und lasse mich auf dem Boden vor der Couch zusammensinken.
„Es geht ihr gut, Ela. Nicht weinen.“ Ich versuche es, doch mein Körper hat gerade das perfekte Ventil für die Anspannung der
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