Unvermeidlich
flitzt zum Ausgang.
„Ich gehe ihr sofort nach, Mamabär“, sagt Alex, während er ihr hinterher sieht.
„Hey, ich mache mir nur Sorgen. Sie meint, sie wäre so groß, dabei ist sie das noch lange nicht.“
„Ich verstehe, Ela. Deswegen folge ich ihr auf dem Fuße, damit du dich in Ruhe weiter anziehen kannst.“ Er drängt sich durch die halb geöffnete Tür und schließt sie hinter sich. „Aber zuerst muss ich das tun.“ Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie er mich an sich gezogen und seine Lippen auf meine gedrückt hat. Nur kurz neckt er mich mit seiner Zunge, zu kurz, um es genießen zu können. Doch ehe er von mir ablässt, flüstert er ganz nah an meinem Mund: „Heute Nacht.“
Ich muss nicht hinterfragen, was er damit meint. Wir können beide nicht mehr warten, es ist einfach schon zu lange her.
Ich hätte mir Zeit lassen können. Um mir die Haare zu föhnen, mich entspannt zu schminken oder auch nur ungestört die Erinnerung an Alex‘ Kuss auf meinen Lippen zu spüren. Doch irgendetwas krampft sich in mir zusammen. Etwas ist nicht richtig. Wenn es so was wie einen Urinstinkt gibt, dann macht er sich jetzt bei mir bemerkbar.
Hektisch schmeiße ich meine und Annas nasse Badesachen in die Tasche, werfe mir mein T-Shirt über und schlüpfe in meine Sneaker. Ich versuche die Ruhe zu bewahren, aber das wird nichts, solange ich nicht weiß, ob mit Anna und Alex alles in Ordnung ist. Auf dem Weg nach draußen bleibt mir die Sporttasche in der schweren Glastür hängen und diese Ungeschicklichkeit treibt mir fast die Tränen in die Augen.
Alex sehe ich, ehe er mich entdeckt. Er läuft mit kraus gezogener Stirn vor dem Getränkeautomaten auf und ab und zieht sein Handy aus der Tasche. Mit zitternden Fingern schiebe ich meine Eintrittskarte in das Drehkreuz, um die Umkleiden verlassen zu können, was mir aber erst im dritten Anlauf gelingt. In der Zwischenzeit fängt Alex die Kassiererin ab, die auf dem Weg in den Badebereich war.
Von meinem Kind keine Spur.
Ich will gerade fragen, was los ist, als mich die Worte der Schwimmbadmitarbeiterin härter als ein Fausthieb treffen.
„Sie ist direkt auf ihn zugerannt und hat ihn Papa genannt, da habe ich mir nichts dabei gedacht, dass sie mit ihm rausgegangen ist.“
Alex drückt mir sein Handy in die Hand, das Steffens Nummer anwählt und rennt auf den Parkplatz. Natürlich wird der Anruf auf die Mailbox umgeleitet. Ich sollte ihm hinterherrennen und mitsuchen, doch ich weiß bereits, dass es zu spät ist.
Steffen hat meine Tochter entführt.
21.
Die Ruhe der Polizeibeamten sollte mich wütend machen, doch ehrlich gesagt, berührt es mich kaum, weil ich selbst wie erstarrt bin. Im Augenblick sehen sie noch keinen Grund, nach Steffen zu fahnden. Er hat zwar schon viel Mist gebaut, aber solange nicht der Verdacht besteht, dass er Anna etwas antun könnte, werden sie sich für heute damit begnügen, seinen Freundeskreis abzuklappern. Laut Aussage der Beamten könnte es sich ja um ein schlichtes Missverständnis in der Kommunikation handeln. Schließlich ist er ihr Vater. Ich weiß nicht, ob sie gerade grob fahrlässig vorgehen oder ob das tatsächlich eine offizielle Vorgehensweise ist. All das ändert nichts daran, dass Steffen mein Kind hat und er sich in den letzten 2 Stunden mit ihr schon irgendwo über die Grenze geschlagen haben könnte.
Vermutlich begreift Anna auch längst, dass die Situation nicht okay ist und hat inzwischen große Angst. Ich kann ja nur erahnen, was er ihr für Geschichten aufgetischt hat.
Meine ganze Familie hat sich in meiner Wohnung versammelt. Jakob, meine Eltern, Kati, Paul, Ben. Alle, außer Alex, der parallel zur Polizei seinen Bruder sucht. Eigentlich will ich mit dabei sein und sie suchen, aber die Polizei meint, dass es besser ist, wenn ihr hier bin. Falls er doch noch mit ihr auftauchen sollte.
„Schatz, was kann ich tun? Willst du einen Tee?“ Meine Mama erträgt diese Hilflosigkeit auch nicht. Sie sitzt neben mir auf der Couch und wippt mit dem rechten Bein. Die ganze, verdammte Zeit. Ich bemühe mich, nicht zu explodieren. Es ist nicht ihre Schuld. Das hab ich alles fein selbst verbockt.
„Das wäre lieb, Mama“, sage ich mit aller Fassung, die ich aufbringen kann, nur um sie von mir wegzubekommen. „Kamille, bitte.“
Erleichtert etwas tun zu können, geht meine Mutter in die Küche und fragt auch gleich noch die Männer, die sich auf dem Balkon versammelt haben, ob
Weitere Kostenlose Bücher