Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
aber bald schon dabei ertappt, wie sie die Männer belauschte, die sich unter ihr an Deck zu einem Würfelspiel eingefunden hatten. Als Max sich zu ihr an die Reling stellte, küsste Ash gerade seine Faust, die die Würfel hielt, ehe er sie warf. Die Würfel rollten über das verwitterte Holzdeck. Ein allgemeines Stöhnen war von den Seeleuten um ihn herum zu hören. Ash schob mit einem Arm seinen Gewinn zusammen, dann tröstete er sie über ihre Enttäuschung hinweg, indem er sie freundlich angrinste und ihnen einen Schluck aus der Flasche Rum anbot, die er in seiner Rocktasche stecken hatte.
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er sie beim Wort genommen hatte und mit ihnen nach England reiste, um an der Hochzeit teilzunehmen. Wollte er etwa auch an Weihnachten und Lichtmess kommen und zu den Taufen ihrer Kinder? Würde er immer wieder unerwartet bei ihnen hereinschneien, um seine Nichten und Neffen auf den Schultern reiten zu lassen und sie mit der Geschichte zu fesseln, wie er einmal ihre Mutter aus den Klauen eines räuberischen Sultans gerettet hatte? Bei der Vorstellung drohte sie leicht hysterisch zu werden.
»Wenn sie nicht vorsichtig sind, nimmt er ihnen mit einem einzigen Wurf den gesamten Wochenlohn ab«, bemerkte Max. »Ich hoffe nur, sie sind gewieft genug, ihn nicht seine eigenen Würfel benutzen zu lassen.«
Clarinda warf Max einen spöttisch vorwurfsvollen Blick zu. »Sicherlich willst du damit nicht andeuten, dass dein kleiner Bruder so tief sinken würde, beim Glücksspiel zu betrügen?«
Max schnaubte. »Wenn wir als Kinder Landabschneiden gespielt haben, hat er immer gesagt, dass man gar nicht wirklich gewinnen will, wenn man nicht schummelt.« Ash wesentlich leichter wieder aus seinen Gedanken streichend, als Clarinda es je gekonnt hatte, sagte er: »Ich habe dir deinen Schal gebracht. Du hattest keine Zeit, dich an den Klimawechsel zu gewöhnen. Ich habe mir Sorgen gemacht, du könntest am Ende krank werden.«
Als Max ihr den Kaschmirstoff um die Schultern legte, musste Clarinda den Drang unterdrücken, ihn wieder abzuschütteln. Zwar war die kühle Luft auf See nach all den Monaten in der sengenden Wüstensonne ein Schock für ihren Körper, aber sie war es von Herzen leid, wie ein Invalide behandelt zu werden. Jedes Mal, wenn sie sich an Bord des Schiffes umdrehte, war Max da – drückte ihr eine Tasse warmen Tee in die Hand, bot an, ihr einen Pelzmuff zu holen oder ein Paar dicker Handschuhe, redete ihr gut zu, sich für ein Nachmittagsnickerchen in ihre Kabine zurückzuziehen. Sie begann sich zu fühlen, als sei sie aus einem Krankenhaus und nicht aus einem Harem gerettet worden.
»Du bist zu freundlich«, sagte sie und rang sich ein schwaches Lächeln ab. Sie konnte ihn schwerlich mit ihrem Schal erwürgen, nur weil er sich so fürsorglich um sie kümmerte. »Ich kann nicht glauben, dass es tatsächlich schon der erste November ist. In El Jadida schien die Zeit stillzustehen. Manchmal fiel es mir sogar schwer, mich zu erinnern, in welchem Jahrhundert ich lebe.«
Die Zeit mochte in Farouks Harem stillgestanden haben, aber jetzt zog sie in Windeseile vorbei – so rasch, wie der schlanke Bug des Schoners durch die Wellen schnitt. England und ihr Zuhause lagen jenseits des diesigen grauen Bands am Horizont. Während ihr die feuchte Kälte tiefer in die Knochen drang, hüllte sich Clarinda fester in den warmen Schal, mit einem Mal war sie doch dankbar für die wärmende Kaschmirwolle.
Max blickte aufs Meer hinaus und erklärte steif: »Ich hoffe, du verstehst, warum ich nicht selbst gekommen bin, um dich zu befreien.«
Clarinda musste sich Mühe geben, dass sie sich ihre Überraschung nicht anmerken ließ. Trotz der langen Tage und Nächte, die sie auf dem Meer verbracht hatten, war es das erste Mal, dass Max dieses Thema ansprach. Es war fast so, als hätten sie die stillschweigende Übereinkunft getroffen, ihre Zeit im Harem nicht anzusprechen, was nicht schwer war, da sie beide ihre Gründe hatten, nicht darüber zu reden.
»Natürlich verstehe ich das«, versicherte sie ihm. »Du bist den Anteilseignern der Kompanie verpflichtet. Du musstest ihre Interessen in der Gegend schützen.«
Er zog sie zu sich herum, dass sie ihn anschauen musste; er sah ihr forschend und unerwartet eindringlich in die Augen. »Du bist meine einzige Verpflichtung, mein einziges Interesse. Ich konnte schwerlich den Sultanspalast mit gezückten Waffen stürmen, ohne dein Leben damit zu riskieren.
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