Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
Wenn ich irgendeine andere Chance gehabt hätte – irgendeine – denkst du, ich hätte dann ausgerechnet ihn geschickt?«
Clarinda blickte ihm ins Gesicht, sie konnte die Qual in seinem Innern nur zu gut erkennen. Es war das lieb gewordene Gesicht eines Mannes, auf den sich zu verlassen sie schon vor Jahren gelernt hatte. Es war auch ein unglaublich gut aussehendes Gesicht, dessen Besitzer zu lieben sich viele Frauen glücklich schätzen würden.
Sie berührte ihn leicht mit der behandschuhten Hand an der Wange. »Du hast immer getan, was nötig war, um die Aufgaben zu erledigen, die anstehen. Natürlich musst du auch Rücksicht darauf nehmen, wer du bist.«
Er senkte kurz den Blick und verbarg den Ausdruck in seinen Augen unter den dichten Wimpern. »Wo wir gerade davon sprechen zu tun, was nötig ist – ich denke, es ist am besten, wenn wir heiraten, sobald wir den Landsitz deines Vaters erreichen.«
»So rasch?«, fragte sie schwach. Irgendwie hatte sie gedacht, es bliebe ihr mehr Zeit.
»Wenn du bereits meine Frau bist, wenn wir nach London zurückkehren, werden die Gerüchte um deine Monate in Gefangenschaft gar nicht erst aufkommen.«
Die sofortige Heirat würde ganz England beweisen, dass er sie immer noch als würdig erachtete, seine Ehefrau zu sein.
Als spürte er ihre Unsicherheit, hob er ihr Kinn sacht mit einem Finger an. »Vergiss nicht, wie lange ich bereits warte.« Er bot ihr ein seltenes Lächeln, bei dem sich um seine Augenwinkel winzige, durchaus kleidsame Fältchen bildeten. »Bleib nicht zu lange hier in der Kälte stehen. Bald wird die Glocke zum Abendessen ertönen.«
Clarinda seufzte, während sie seinen verhallenden Schritten auf den Holzplanken des Decks lauschte. Max war schon lange ihr bester Freund und unerschütterlicher Ratgeber. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte sie Ashs erstes Fortgehen nicht überlebt. Aber wenn er sie anfasste, verspürte sie nicht den Anflug der Sehnsucht, die sie jedes Mal empfand, wenn sein Bruder sie mit seinen Tigeraugen anschaute.
Seit Max mit seinen Männern in die Oase gekommen war, um sie zu holen, hatte Ash sie mit der kühlen Höflichkeit des zukünftigen Schwagers behandelt. Aber seine leidenschaftlichen Worte in der Oase ließen ihr keine Ruhe.
Er hatte sie vor all diesen Jahren nicht wirklich verlassen. Er hatte sie aufrichtig geliebt. Genug, um seinen Stolz und seinen ganzen Ehrgeiz zu schlucken und zu ihr zurückzukommen.
Aber er hatte sie in den vergangenen Jahren für ebenso treulos gehalten wie sie ihn. Er hatte geglaubt, all ihre zärtlichen Worte und leidenschaftlichen Versprechen seien nichts als das bedeutungslose Geschwätz eines wankelmütigen Mädchens in den Fängen ihrer ersten Verliebtheit gewesen.
Wenn sie ihn nun aus ihrem Leben gehen ließ, ohne ihren eigenen Stolz zu opfern und ohne ihm die Wahrheit zu sagen, würde er niemals erfahren, wie sehr er sich irrte.
Sie beugte sich vor und warf einen weiteren verstohlenen Blick über die Reling. Das Würfelspiel war vorüber, aber ein einzelner Mann stand dort unten noch an Deck und schaute zu ihr empor, während die Spitze seiner schlanken Zigarre rötlich in den Schatten glühte.
Kapitel einunddreißig
Instinktiv wusste Ash, wo er Clarinda am Morgen ihres Hochzeitstages finden würde.
Das letzte Mal, als er die Wiese gesehen hatte, war sie vom frischen Frühlingsgras grün gefärbt gewesen, und zarte Nebelschleier hatten darüber gelegen. Das Gezwitscher der erwachenden Vögel hatte die Luft erfüllt. Als er und Clarinda in die Falten ihres Umhanges gesunken waren, hatten die knospenden Blätter der alten Eiche einen schützenden Himmel über ihnen gebildet, und unter sich hatten sie den jungen Klee zerdrückt, sodass süßer berauschender Duft davon aufgestiegen war.
Jetzt jedoch fiel der erste Schnee des Jahres aus einem bleiernen Himmel. Der Boden war hart und die Grashalme, die aus dem Schnee ragten, braun und welk. Der Herbstwind hatte die Eiche ihrer Blätter beraubt, sodass nur die nackten Zweige übrig waren, und statt Vogelgesang war das einzige Geräusch, das Ashs Schritte begleitete, das leise Rieseln der aus dem Himmel fallenden Schneeflocken.
Clarinda kniete unter dem Baum, und die Kapuze ihres burgunderroten hermelingefütterten Umhangs war mit Schneekristallen übersät. Der Umhang glich dem, den sie sich damals hastig über ihr Nachthemd geworfen hatte, als sie zur Wiese gerannt war, um ihn davon abzuhalten zu gehen. Selbst als Ash lächelte,
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