Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
aus der Stirn streichen.
Aus irgendeinem Grund schlug sie das Buch an der Stelle auf, wo die letzten beiden Zeilen von Coleridges Gedicht standen:
Denn ihn hat Honigtau gespeist.
Er trank die Milch vom Paradies.
Ihr Blick zuckte nervös zu dem Korb mit dem Gebäck an ihrer Seite. »Würden Sie gerne ein Ktefa probieren, während ich vorlese, Ihre Majestät? Ich glaube, sie sind noch ein wenig warm.«
Farouk runzelte die Stirn, er dachte über die Frage nach, als habe sie ihn aufgefordert, eine unvorstellbar komplizierte Gleichung zu lösen, von der das Schicksal des gesamten Universums abhing. »Ja, ich glaube, das würde ich gerne.«
Sie griff unter das rote Tuch, mit dem der Korb zugedeckt war, brach ein großzügiges Stück von dem duftenden Gebäck ab und hielt es ihm hin. Er nahm es ihr aus den klebrigen Fingern und steckte es sich in den Mund, dann kaute er genüsslich. Schließlich tat er etwas, womit sie nie gerechnet hätte.
Er lächelte sie an.
Am Nachmittag darauf ruhte Clarinda auf einer Chaiselongue in einem der großzügigen Zimmer, die von dem Hauptraum des Harems abgingen, während eine alte Frau, die mehr Haare am Kinn hatte als Farouk, ihr die Zehennägel polierte, bis sie wie Perlmutt schimmerten, als Poppy hereingeschlendert kam.
Statt um den niedrigen Tisch in ihrem Weg herumzugehen, lief Poppy direkt dagegen und stieß sich so heftig ihr Schienbein daran, dass Clarinda unwillkürlich vor Mitleid zusammenzuckte. Sich die schmerzende Stelle reibend, humpelte Poppy zu der mit farbenfroh gemustertem Brokat bezogenen Ottomane neben Clarinda. Statt sich in der Mitte niederzulassen, setzte sie sich ganz an den Rand, sodass die Liege sich unter ihrem Gewicht am anderen Ende hob und sie beinahe mitsamt dem Möbelstück umgefallen wäre.
Clarinda wunderte sich über das ungeschickte Verhalten und den benommenen Gesichtsausdruck ihrer Freundin, bis ihr auffiel, dass noch etwas nicht stimmte. »Poppy, wo, um alles in der Welt, ist deine Brille?«
Noch verlegener als sonst berührte Poppy mit einem Finger ihre Nase, als rechnete sie damit, sie dort zu finden. »Ich bin nicht sicher. Ich muss sie verlegt haben. Du weißt doch, was für ein gedankenloses Gänschen ich sein kann. Heute Morgen habe ich beinahe meine Dose Reispuder in Brand gesetzt, weil ich sie für eine Lampe gehalten habe.«
»Vermutlich weil du deine Brille nicht aufhattest.« Den Protest der alten Frau ignorierend, begann Clarinda sich aufzurichten und ihre Beine über den Rand der Chaiselongue zu schwingen. »Ich komme noch vor Langeweile um. Warum lässt du dir nicht von mir helfen, sie zu finden?«
» Nein!«
Erschrocken über Poppys heftigen Widerspruch, schaute Clarinda ihre Freundin fragend an.
Poppys entsetzte Miene wich sogleich einem versöhnlichen Lächeln. »Du musst dir keine Umstände machen. Ich bin sicher, sie taucht wieder auf. Das ist immer so.« Wie um das Thema rasch zu wechseln, beugte Poppy sich vor. »Sag mal – hast du schon Nachricht von Captain Burke wegen seiner Pläne zu unserer Rettung?«
Clarinda lehnte sich auf der Chaiselongue zurück, was ihr ein zahnloses Lächeln von der alten Frau eintrug. Da Farouk von seinen Sklaven nicht verlangte, dass sie Englisch lernten, wusste Clarinda, dass sie vor ihr offen reden konnten.
Während die Frau sich wieder dem Polieren ihrer Zehennägel zuwandte, schüttelte Clarinda den Kopf. »Es ist mir gelungen, Farouk dazu zu überreden, dass ich ihm und seinen Gästen jeden Abend beim Supper Gesellschaft leisten darf, aber wir stehen unter dauernder Beobachtung durch diesen Geier, diesen Onkel von Farouk. Burke hatte keine einzige Gelegenheit, mir eine Nachricht zuzustecken oder etwas anderes als belanglose Höflichkeiten mit mir auszutauschen.«
Sie und Ash waren seit dem Morgen in dem Hammam nicht mehr allein gewesen. Und nach dem, was sich dort zwischen ihnen zugetragen hatte, war das wohl auch gut so. Clarinda war immer noch verstört, dass nur ein einziger Kuss nötig gewesen war, um all die Verteidigungswälle, die sie in den vergangenen neun Jahren um ihr Herz aufgerichtet hatte, zum Einsturz zu bringen. Ein sehr langer, sehr feuchter und sehr hitziger …
Sie schüttelte den Kopf und zwang sich, nicht länger daran zu denken. Ihre Leidenschaft hatte sie schon einmal in die Irre geführt, und das hatte schwerwiegende Folgen nach sich gezogen. Sie hatte nicht die Absicht, diese Tortur noch einmal durchzumachen. »Ich fürchte, unsere Zeit läuft ab,
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