Unwiderstehliches Verlangen
es war wie mit den Ausreden für einen großen Eisbecher während einer Diät. Wie sollte sie einem großen, kräftigen Mann Einhalt gebieten, wenn sie noch schwach vom Blutverlust war? Sie mußte damit warten, bis es ihr wieder besser ging.
»Jackie, du bist so schön. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie du morgens aussiehst?«
»Wahrscheinlich so, als hätte ich in der Scheune geschlafen.«
»Ja.« Seine Lippen waren jetzt an ihrem Ohrläppchen angelangt. »Du siehst warm und weich und süß aus. Ganz süß. Deine Stimme ist ein wenig rauh, und deine Augen sind noch halb geschlossen.« Seine Hände glitten über ihren Rücken herab, bis sie das Gesäß erreichten. Hier hielten sie inne und lagen fest auf den schwungvollen Kurven dieses Körperteils, während sein Mund an ihrem Hals hing.
»William, ich... ich will mich jetzt lieber, äh, anziehen.«
»Ja, gut«, sagte er und ließ sie so unvermutet los, daß sie gegen das Spülbecken fiel. Sie konnte sich gerade noch mit der gesunden Hand daran festhalten. Er ging zur Tür und blieb dort schwer atmend einen Augenblick stehen. Sie sah, wie seine Schultern zuckten, als müsse er sich beruhigen.
»Das sollten wir nie wieder tun«, sagte sie leise.
»Du hast recht«, antwortete er mit fester Stimme. Es war, als sagte er zu sich selbst: Das darfst du nie wieder tun. Doch als er sich zu ihr umdrehte, lächelte er schon wieder. Höchstens daß sein Gesicht etwas gerötet erschien.
Jedenfalls hatte er sich völlig in der Gewalt. Gelassen trat er einen Schritt vor und knöpfte ihr die Pyjamajacke von oben bis unten auf. »So, jetzt geh und zieh dich an! Das Zuknöpfen und die Schnürsenkel übernehme ich dann.« Mit einem bittenden Ausdruck fuhr er fort: »Aber wenn’s irgend geht, Jackie, mach die Reißverschlüsse selber zu!«
Dabei blieben seine Augen so ernst, daß sich Jak-kie das Lachen verbeißen mußte. »Ich werde mein Bestes tun«, versprach sie feierlich. Doch im Inneren empfand sie überschäumende Freude und legte den Weg ins Schlafzimmer praktisch im Tanzschritt zurück. Es war herrlich zu spüren, daß sie noch begehrenswert war.
Sie dachte: Wenn man siebzehn ist und die Männer verschlingen einen mit den Augen, dann kriegt man es noch mit der Angst zu tun. In diesem Alter will man vor allem als intelligente Frau angesehen werden. Mit siebzehn will man seiner Mutter beweisen, daß man schon erwachsen ist, den Haushalt führen und mit jedem Mann fertig werden kann — so wie sie es getan hatte. Es ärgert einen, daß die jungen Männer an nichts anderes denken als daran, einem unter den Rock zu greifen. Warum kann ein siebzehnjähriger Junge das Leben nicht ebenso ernst nehmen wie man selber? Denken die denn nicht an die vor ihnen liegende Zukunft? Es gibt kaum etwas anderes, was so ernst, so zielbewußt und gleichzeitig so verwirrt ist wie ein siebzehnjähriges Mädchen.
Doch mit achtunddreißig braucht man seiner Mutter nichts mehr zu beweisen. Mit achtunddreißig weiß man, daß man einen Haushalt führen und für einen Mann sorgen kann. Das ist dann keine Herausforderung mehr, sondern eine platte Wiederholung. Immer wieder seine Socken waschen und überlegen, was man ihm heute zu essen vorsetzen soll. Jeden Tag sind die gleichen Dinge zu erledigen. Mit achtunddreißig sehnt man sich danach, noch begehrenswert zu sein — und man fragt sich, was aus all den siebzehnjährigen Jungen geworden ist, die den Mädchen dauernd unter den Rock greifen wollten. Wenn eine Frau das Gröbste hinter sich hat und sich nach ein wenig Abwechslung und Vergnügen sehnt, hat ihr Mann, wenn er nach Hause kommt, nur noch den Wunsch, bis zum Abendessen zu schlafen und danach weiterzuschlafen, bis es Zeit wird, zu Bett zu gehen. Wo ist seine ganze Energie, wo ist seine Begierde geblieben?
Manchmal war es Jackie schon so vorgekommen, als paßten Männer und Frauen überhaupt nicht zusammen. Als Charley sie geheiratet hatte, setzte sie alles daran, ihm zu beweisen, daß sie seiner wert war. Und das bedeutete: für ihn zu kochen, seine Sachen in Ordnung zu halten und natürlich zu fliegen. Sie wollte so gut fliegen lernen, daß es Eindruck auf ihn machte. Während Jackie am liebsten den ganzen Nachmittag in der Luft verbrachte, wollte Charley lieber die Zeit mit ihr im Bett verbringen.
Nach vielen Jahren war Jackie nun am selben Punkt angekommen, an dem Charley damals gewesen war. Sie hatte sich und der ganzen Welt bewiesen, was sie konnte. Nun hätte sie nichts
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