Unwiderstehliches Verlangen
mit sanftem Lächeln.
Und gerade dieses sanfte Lächeln brachte Jackie zur Weißglut. So lächelt ein Junge, wenn er einer älteren Frau zeigen will, was für gute Manieren er hat. Draußen wurde ausdauernd auf die Hupe gedrückt. Terris schrecklicher Sohn verlangte die sofortige Abfahrt seiner Mutter.
Höflich half William Terri in den Mantel. »Wenn du bei Jackies Pflege Hilfe brauchst«, sagte sie, »gib mir Bescheid! Du warst schon immer ein Gentleman. Stimmt’s, Jackie? Du mußt es doch noch wissen. Schon als kleiner Junge war er immer die Höflichkeit in Person.«
Jackie brachte keinen Ton heraus. Sie wollte jetzt nicht daran denken, daß sie William schon als kleinen Jungen gekannt hatte.
Aber Terri war unbarmherzig. »Das kannst du doch nicht vergessen haben! Du warst sein Babysitter, und er ist dir überallhin nachgelaufen. Ach, was habt ihr beiden damals alles angestellt! Aber es ist wirklich reizend von dir, Billy, daß du Jackie jetzt beistehst, wo sie fremde Hilfe nötig hat. Grüß bitte deine Eltern von mir! Und vielleicht kannst du dich auch mal mit meinen Kindern treffen.«
Jackie fand die Sprache wieder. »Ja«, sagte sie mit schneidendem Hohn, »das können wir ja organisieren. Lassen wir sie doch gemeinsam in der Buddelkiste spielen! Oder wie wär’s, wenn wir sie mal in den Zirkus ausführten? Da könnten sie auf Elefanten reiten und Zuckerwatte futtern.«
Ihr rüder Ton machte sogar die harmlose Terri stutzig. Sie wurde aber nicht schlau daraus und sagte nur verwundert: »Na ja, vielleicht.«
Mit unerschütterlicher Ruhe sagte William besänftigend: »Jackie hat noch Schmerzen in der verletzten Hand. Kein Wunder, daß sie nervös ist.«
Seine Gelassenheit machte Jackie noch wütender.
»Du bringst mich doch zum Wagen, ja?« sagte Terri zu Jackie.
Was sollte sie tun? In unterdrückter Wut ballte sie die Fäuste und brachte ihre Freundin zum Wagen, in dem deren großer Sohn mit finsterer Miene hinter dem Lenkrad saß. Als sie sich näherten, drehte er den Kopf zur Seite. Doch nicht schnell genug. Jackie sah, daß ihm die Nase geblutet hatte. Das angetrocknete Blut zierte noch seine Wange.
Vor dem Einsteigen meinte Terri in heiterem Ton zu Jackie: »Bilde dir bloß nicht ein, du könntest mich ablenken! Ich werde schon noch herausfinden, wer der Mann ist, der jetzt in deinem Leben eine Rolle spielt.«
Jackie biß die Zähne aufeinander. Dann sagte sie: »William ist kein Kind mehr. Falls du es nicht bemerkt haben solltest, er ist ein erwachsener Mann!« Gleich darauf tat es ihr leid, daß sie sich zu dieser Äußerung hatte hinreißen lassen.
Terri sah sie verständnislos an. Was redete Jackie nur für ein dummes Zeug! »Selbstverständlich ist er jetzt ein junger Mann. Habe ich denn etwas anderes gesagt? Oder meinst du, ich hätte seine Gefühle verletzt, als ich ihn nach dem Befinden seiner Eltern fragte? In diesem Alter können Kinder ja sehr sensibel sein.«
»William ist kein Kind!« entgegnete Jackie mit einem Nachdruck, den sie gar nicht beabsichtigt hatte. Was war nur mit ihr los? Warum konnte sie nicht distanziert und überlegen bleiben? Ebensogut hätte sie Terri ja gleich die Wahrheit sagen können, daß ihr William ans Herz gewachsen war.
»Nein«, sagte Terri ruhig, »ein Kind ist Billy nicht mehr. Aber wenn man jemand gesehen hat, wie er noch in den Windeln lag, sieht man ihn unwillkürlich auch später noch so.« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Was hast du eigentlich? Ich finde es sehr nett von Billy, daß er sich um dich kümmert. Du hast dich doch früher auch immer um ihn gekümmert.
Ich werde nie vergessen, wie er dir an den Fersen geklebt hat. Die ganze Schule hat darüber gelacht, daß er ständig hinter dir herlief.« Sie streichelte Jakkies Arm und sah sie mitleidig an. »Du hast ja nie eigene Kinder gehabt. Da muß Billy dir so etwas wie ein Ersatz gewesen sein.«
Giftig erwiderte Jackie: »Dann hätte ich ihn als Zehnjährigen zur Welt bringen müssen!«
Terri verstand sie völlig falsch. »Entschuldige«, sagte sie leise. »Ich wollte deinen wunden Punkt nicht berühren — deine Kinderlosigkeit. Das habe ich bestimmt nicht so gemeint. Ich finde es einfach nett von Billy, daß er dir zur Hand geht. Wirklich reizend von ihm.«
Dazu fiel Jackie keine passende Antwort mehr ein. Sicherlich hatte Terri es nur gut gemeint. Aber was hatte sie damit erreicht? Daß Jackie sich jetzt wie eine hundertjährige Greisin vorkam. Sie war eine unfruchtbare alte Frau,
Weitere Kostenlose Bücher