Unwiderstehliches Verlangen
noch krank, nicht wahr? Na ja, nicht richtig krank, aber doch immerhin so behindert, daß sie William noch nicht wegzuschicken brauchte. Wenn sie wieder ganz gesund war, mußte er natürlich ausziehen. Aber im Moment konnte sie diese Entscheidung noch aufschieben, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Er war eben ein Freund, der ihr zur Hand ging. Sonst war nichts zwischen ihnen.
Was für ein herrlicher Sonntag! William machte Blaubeerpfannkuchen, die in Butter und Sirup schwammen, und sie lachten gemeinsam wie die Kinder. Es war schon eigenartig, wie kindisch sich zwei Erwachsene betragen konnten, wenn sie allein waren. Mal ließ der eine einen Spruch los, der spritzig oder komisch oder beides zugleich war, mal der andere. Sie glaubte nicht, daß sie als Kinder je so gelacht hatten. Jackie hatte das Leben immer als eine Herausforderung betrachtet, die sie zu bestehen hatte. Und für William war Jackie die Herausforderung gewesen. Jetzt war alles ganz anders geworden, und sie vertrugen sich glänzend.
Nach dem Frühstück übernahm William das Geschirrabwaschen. Jackie trocknete ab, wobei sie so tat, als hätte sie erhebliche Schmerzen, obwohl ihr die Hand kaum noch weh tat. Danach gingen sie ins Wohnzimmer. William schlug vor, ihr aus der Zeitung die Comic-Texte vorzulesen. Dabei ergab es sich von selbst, daß er beide Arme um sie legte, sonst hätte sie ja die Zeichnungen nicht sehen können. Sie nahm einen Apfel aus dem Korb, von dem sie abwechselnd abbissen. Es war ein Bild wie aus dem Paradies.
Draußen ertönte eine Autohupe, und der Kies auf der Auffahrt knirschte. Jackie verzog entsetzt das Gesicht.
»Das ist Terri«, sagte sie so angsterfüllt, als wäre ihre Ankunft ein schreckliches Ereignis. Im nächsten Augenblick streifte sie Williams Arme von ihren Schultern, sprang auf und machte sich in hektischer Aufregung daran, das Zimmer aufzuräumen. Überall waren Spuren von Williams Anwesenheit sichtbar. Sie mußte jede Spur von ihm beseitigen!
»Was ist denn los?« erkundigte er sich. Er hatte sich nicht von der Couch gerührt.
»Das ist Terri«, sagte sie noch einmal, als wäre dies eine hinreichende Erklärung. Williams Hausschuhe standen vor dem großen Sessel auf dem Fußboden. Sein Hemd mit der eingerissenen Tasche lag über ihrem Nähkorb. Sie hatte ihm versprochen, es auszubessern, sobald ihre Hand verheilt war. Auf dem Kaffeetisch lagen drei Magazine, deren Adressenaufkleber seinen Namen trugen. Sein Mantel hing auf dem Garderobenhaken an der Tür.
In höchster Eile nahm sie alle Sachen von ihm auf, und als sie beide Arme voll hatte, sah sie sich nach einem Versteck um. Wenn Terri nun auf die Idee kam, in den Garderobenschrank zu gucken? Wenn sie einen Blick in die Speisekammer werfen wollte? Jackie steuerte ihr Schlafzimmer an und blieb auf halbem Weg abrupt stehen. Dort durfte sie Williams Sachen auf gar keinen Fall verstecken.
Ruhig trat William auf sie zu, nahm ihr die Sachen ab und sagte leise: »Das mache ich schon.«
Etwas in seinem Tonfall machte sie stutzig. Sicher, sie hatte seine Gefühle verletzt. Aber darauf durfte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Das konnte sie später immer noch gutmachen. »Terri darf nicht merken, daß ein Mann bei mir wohnt«, log sie, um ihre Aufregung zu rechtfertigen. Aber ein rascher Blick in Williams Augen belehrte sie, daß er ihr nicht glaubte. Er hatte gemerkt, daß sie sich deshalb so hektisch gebärdete, weil seine Sachen im Wohnzimmer die Anwesenheit eines Mannes verrieten, der nicht zu ihr »paßte«, weil er jünger war als sie und sie ihn deshalb nicht voller Stolz ihren Freundinnen vorstellen konnte.
Jackie schwirrte immer noch auf der Suche nach weiteren Anhaltspunkten für Williams Anwesenheit umher, ohne sich Rechenschaft über ihr Betragen abzugeben. Später würde sie William — und sich selber — glauben machen, daß sie nur ihren beiderseitigen guten Ruf hätte schützen wollen.
»Vielleicht kannst du...«
»Na klar«, sagte er. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging mit den Sachen zur Treppe.
Sie wollte ihm etwas nachrufen, aber da klopfte es schon ungeduldig an der Tür. Sie schluckte ihre Worte herunter, drehte sich um und öffnete die Tür.
»Wo in aller Welt hast du denn gesteckt?« fragte Terri. »Ich habe bestimmt viermal angeklopft. Leider habe ich erst heute morgen von deinem Unfall erfahren. Warum hast du mich nicht angerufen?
Dann hätte ich vielleicht herkommen und mich um dich kümmern
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