Unwiderstehliches Verlangen
die ihr Leben bereits hinter sich hatte und für die es keine Zukunft mehr gab. Nach Terris Meinung müßte sie dankbar dafür sein, daß ein junger Mann wie William ihr als »Invalidin Beistand leistete«. Dabei hatte sie nur eine Schnittwunde an der Hand. Aber Terri stellte es so dar, als litte sie an altersbedingter Arthrose und wäre zum Rollstuhl verdammt — und der nette junge Billy Montgomery führte sie in der Güte seines Herzens spazieren.
Terri legte die Hand an den Griff der Wagentür. Doch plötzlich ließ sie sie wieder los, nahm Jackie am Arm und führte sie ein Stück zur Seite, damit ihr Sohn sie nicht hören konnte. »Bilde dir bloß nicht ein, ich würde vergessen, daß es einen Mann in deinem Leben gibt! Du kannst kein Geheimnis vor mir haben.«
»Ich habe keine Geheimnisse vor dir«, sagte Jackie zornig — und jetzt war sie völlig ehrlich.
Terri sah sie an, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Jackie war der Glanzpunkt in ihrem Leben. Was hatte sie denn getan, um ihre Freundin gegen sich aufzubringen? Ob Jackie möglicherweise gar nicht gelogen hatte? Vielleicht gab es tatsächlich keinen Mann in ihrem Leben. Vielleicht hatte sie die Anzeichen falsch gedeutet. Dann konnte Jakkies plötzliche unerklärliche feindliche Haltung darauf beruhen, daß sie falsche Schlüsse gezogen hatte und es Jackie nun unangenehm war, weil sie gar keinen Mann hatte.
Mit einem Seitenblick auf ihren Sohn, der mißmutig im Auto vor sich hin brütete, sagte Terri mit gedämpfter Stimme: »Ich habe dir doch von Edward Browne erzählt, nicht wahr? Er hat sich mehrmals nach dir erkundigt. Er kann dich gut leiden. Und er wäre eine gute Partie.«
Widerstreitende Empfindungen tobten in Jackies Inneren und machten sie vorübergehend sprachlos. Terri deutete ihr Schweigen als Zustimmung und fuhr fort: »Er ist ein sehr netter Mann, Jackie. Ungefähr Mitte Fünfzig und Witwer. Seine Kinder sind schon erwachsen und aus dem Haus. Da gibt es also keine Probleme für dich. Stiefkinder können ja sehr lästig werden. Außerdem ist er gut betucht. Er kann dich also ernähren, wenn du mal die Fliegerei an den Nagel hängst.«
Terri hatte nicht die geringste Ahnung davon, was für Gedanken Jackie gerade durch den Kopf gingen. Ihr selbst erschien Edward Browne tatsächlich als eine gute Partie. Der Mann besaß sämtliche Schuhgeschäfte im Umkreis von 160 Kilometern und hatte ein schönes Haus voll antiker Möbel, die er von seinen Eltern geerbt hatte. Ein so gutgestellter, zuverlässiger Mann wäre für Terri der Himmel auf Erden gewesen. Sie dachte dabei an die vielen häuslichen Kräche, die ihr Leben verdüsterten. Die Zornesausbrüche ihres betrunkenen Mannes und die blutigen Auseinandersetzungen zwischen ihm und ihren Söhnen waren nicht das, was sie sich erträumt hatte. In Terris Augen war Glück jeder Zustand der Zufriedenheit, der länger als vierundzwanzig Stunden dauerte.
»Das ist so ein netter Mensch«, fuhr Terri fort, sich an dem Thema erwärmend. »Seit fünfzehn Jahren wohnt er in Chandler, und alle reden nur Gutes von ihm. Nie hat es auch nur den Hauch eines Skandals um ihn gegeben. Er hatte eine schöne Frau. Die beiden waren sehr verliebt. Als sie vor zwei Jahren gestorben ist, war er verzweifelt. Soviel ich weiß, fühlt er sich einsam. In Chandler sind alle unverheirateten Frauen zwischen zwanzig und vierzig hinter ihm her. Ab und zu geht er auch mit einer Frau aus, aber mit keiner zum zweitenmal. Und er hat sich schon dreimal bei mir nach dir erkundigt. Ich habe ihm geraten, dich anzurufen. Aber er sagt, das würde er sich erst trauen, wenn er wüßte, daß dir sein Anruf angenehm ist. Ich halte ihn für ziemlich schüchtern. Und, Jackie, du kannst ja auch ganz schön einschüchternd wirken. Für ihn bist du eine berühmte Frau, die man nur anrufen darf, wenn man weiß, daß es ihr recht ist.«
Mit durchdringendem Blick fragte Terri: »Kann ich ihm sagen, daß es dir recht ist, wenn er dich anruft?«
»Ich... ich weiß nicht«, sagte Jackie ehrlich. Warum mußte das Leben so kompliziert sein?
Anscheinend konnte sie Terri jetzt nur loswerden, wenn sie sich mit einem Anruf Edward Brownes einverstanden erklärte. Und warum sollte sie auch nicht mit einem Mann ausgehen, der in allen Belangen so gut zu ihr paßte? War sie denn mit einem anderen Mann verlobt? Ging sie mit anderen Männern aus? Oder war sie in einen anderen verliebt? Nein. Sie war in jeder Hinsicht frei und ungebunden. Und was ihre
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