Unwiderstehliches Verlangen
können.«
»Sehr nett von dir, aber das war nicht nötig. Mir geht es gut.«
»Das habe ich aber anders gehört.« Terri ging an Jackie vorbei und schaute sich im Zimmer um, aber es war kein Hinweis auf die Anwesenheit einer anderen Person zu endtdecken. Und doch bot sich das Zimmer auch in Jackies Augen verändert dar. Kein Durcheinander mehr, überall pedantische Ordnung, kein Staubkörnchen.
»Irgend etwas geht hier vor«, stellte Terri fest, drehte sich um und musterte ihre Freundin streng. »Was ist los?«
»Nichts«, sagte Jackie, aber vorher mußte sie sich erst räuspern. Selbst für sie hörte es sich nach einer Lüge an.
»Hmmm«, sagte Terri, keineswegs zufriedengestellt. »Und wie bist du die ganze Woche über ganz allein zurechtgekommen?« Terri ließ sich auf die große, daunengepolsterte Couch fallen, als wäre sie völlig erledigt. Was sie in der Tat auch war. Ihr Mann hatte in dieser Woche wieder seine Stellung »verloren«, und die beiden hatten einen heftigen Streit gehabt. »Eine Stellung ist kein Schlüsselbund«, hatte sie ihn angeschrien. »Man verliert sie nicht ohne Grund. Was hast du wieder angestellt?« Jetzt wollte sie nicht mehr daran denken, was danach vorgefallen war. Heute hatte sie das Haus nur verlassen dürfen, weil Jackie einen Unfall gehabt hatte.
Aber sie wollte ja auch nicht über ihre Angelegenheiten sprechen. Es war besser, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten. Jackies Leben interessierte sie viel mehr. Die hatte immer aufregende Erlebnisse. Überhaupt hatte das Leben Jackie alles gewährt, was ein Mensch sich nur wünschen konnte.
Terri setzte sich so, daß ihre mit blauen Flecken bedeckte Hüfte entlastet wurde, stützte sich auf ein Kissen — und hatte auf einmal eine Männersocke in der Hand.
Sie hob die Socke hoch und betrachtete sie verblüfft. Jackie errötete und riß sie ihr aus der Hand. Da fing Terri laut zu lachen an. »Du hast einen Mann«, sagte sie voller Genugtuung. »Deshalb hat es so lange gedauert, bis du an die Tür gekommen bist. Du mußt mir unbedingt sagen, wer es ist.« Offenbar ließen sich manche Frauen auch durch die eigene schlechte Ehe nicht von ihren romantischen Sehnsüchten heilen. Ihr Mann war zwar ein Tunichtgut, dennoch glaubte Terri unbeirrt, daß es irgendwo draußen einen Ritter in schimmernder Rüstung gab, der für sie bestimmt war.
Jackie war das unerhört peinlich. Aber nun ließ Terri erst recht nicht locker. »Wer ist es? Ich kann es einfach nicht glauben, daß du mir nichts erzählt hast. Auch in der Stadt habe ich nicht die leiseste Andeutung gehört. Du mußt also ein großes Geheimnis daraus gemacht haben. Nun sag mir schon, wer es ist!«
»Es gibt hier keinen Mann«, sagte Jackie mit belegter Stimme. »Möchtest du Tee oder Kaffee?«
»Tee, aber ich will auch alles wissen.«
Am liebsten hätte Jackie ihr knallhart gesagt, das gehe sie einen feuchten Kehricht an. Aber Terri war ein so unschuldiges Wesen, daß Jackie sie nicht vor den Kopf stoßen wollte. Darum beschloß sie, ihre vielen unverblümten, peinlichen Fragen geduldig über sich ergehen zu lassen.
»Was für eine Teesorte möchtest du?« fragte Jackie und packte den Teekanister so fest, daß ihre Fingerknöchel weiß hervorstachen.
Mit pfiffigem Grinsen erwiderte Terri: »Die Sorte, die er am liebsten trinkt.«
Jackie verzog das Gesicht zu einer gequälten Grimasse.
»Suchen Sie was?« fragte William den kräftigen jungen Mann, der um das Flugzeug im Hangar herumstrich. Es war Terris Sohn, und eigentlich hatte er ja noch nichts Verbotenes getan. Aber William kannte alle Einwohner von Chandler, und die Pelman-Söhne waren wie ihr Vater faule, dumme und bösartige Herumtreiber. William traute diesem massigen Kerl nicht über den Weg. Selbst wenn er ihn in der Kirche träfe, würde William annehmen, daß er nichts Gutes im Schilde führte.
»Was wollen Sie denn hier?« fragte der ungeschlachte Bursche, zog die dichten schwarzen Brauen zusammen und sah William drohend an. Mit den vollen Lippen und den tiefliegenden Augen sah er nicht mal übel aus, wenn man über den Schuß Brutalität in seinen Gesichtszügen hinwegsah. Dummheit im trauten Bunde mit Hochmut führten häufig zu latenter Aggressivität. Ob er es wirklich so meinte oder nicht, er wirkte immer so, als würde er jeden, der ihm zu widersprechen oder anzudeuten wagte, daß er geistig etwas minderbemittelt war, mit den Fäusten angreifen wollen.
Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf.
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