Unwiderstehliches Verlangen
Zuneigung zu William betraf, so hatte sie sich zu neunzig Prozent daraus ergeben, daß sie sich einsam fühlte. Sie war daran gewöhnt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit vieler Menschen zu stehen — und auf einmal war sie allein. Klar, daß ihr da jeder Mann, gleich welchen Alters, angenehm war.
»Sag ihm, er kann mich ruhig anrufen!« sagte Jackie einigermaßen überzeugt.
Terri umarmte ihre Freundin und stieg dann schnell zu ihrem wütenden Sohn ins Auto. Der hatte es so eilig wegzukommen, daß die Kieselsteine nur so um Jackies Beine spritzten.
Als Terri endlich weg war, rüstete sich Jackie für ihre Begegnung mit William. Sie war verärgert, daß er sich so dreist vor Terri gezeigt hatte. Wenn Terri nur ein bißchen hellsichtiger wäre, hätte sie gleich gemerkt, daß zwischen Jackie und William... Na ja, daß da irgend etwas war.
Als sie ins Haus kam, saß William auf der Couch und las in aller Ruhe Zeitung. Er blickte auf, als erwarte er, daß sie sich wieder zu ihm setzen und weiter mit ihm die Comics lesen würde. Ganz so, als hätte sich Terris Besuch nie ereignet.
»Ich habe dir etwas zu sagen«, verkündete sie ernst, als sie die Tür hinter sich zugemacht hatte.
»Was habe ich denn nun schon wieder verbrochen?« fragte er amüsiert.
Sie war aber nicht bereit, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen. War ihm denn nicht bewußt, wie schnell ein Gerücht entstehen konnte? Bei Terri konnte er damit durchkommen, daß er den kleinen Jungen spielte. Bei ihr aber nicht. Sie war entschlossen, ihm gründlich die Meinung zu sagen. Immerhin war er mit der Frage ins Zimmer hereingeplatzt, wo seine Schuhe seien. Damit hatte er ihren guten Ruf in Gefahr gebracht.
Zu ihrem Schrecken sagte sie etwas ganz anderes, als sie sich vorgenommen hatte. Sie fragte nämlich: »Wie konntest du Terri gestatten, dich wie ein kleines Kind zu behandeln?«
Williams Augenlider zuckten mehrmals. »Hat dich das so aus der Fassung gebracht? Ältere Leute behandeln jüngere immer so, als wären sie noch Kinder. Das nimmt nie ein Ende, und wenn die Kinder noch so alt werden.«
William versenkte sich wieder in seine Lektüre und betrachtete die Diskussion wohl als beendet. Nicht jedoch Jackie. In neuentflammtem Zorn sprudelte sie hervor: »Ältere Leute! Was soll das heißen? Terri ist keinen Tag älter als ich. Im Gegenteil, sie ist sogar ein paar Monate jünger.«
Ungerührt schlug William die nächste Seite der Zeitung auf. »Manche Menschen sind schon mit zwanzig vergreist, und andere sind noch mit sechzig jung.«
»Was willst du damit sagen?«
William gab keine Antwort, was ihren Zorn noch verstärkte. Statt dessen versteckte er sein Gesicht hinter dieser verdammten Zeitung. Unter diesen Umständen war es schwer, wenn nicht unmöglich, eine Diskussion über die tieferen Belange des Lebens aufrechtzuerhalten. Ihr war es von Anfang an so vorgekommen, als ob William die Frage ihres Altersunterschieds nicht ernst nahm. Er tat ihn als völlig unbedeutend ab.
Sie mußte es auf andere Weise versuchen. »Was hast du mit Terris Sohn gemacht?« fragte sie.
»Ich habe versucht, ihm Manieren beizubringen. Was ihm schon lange not tat.«
Jackie hörte das mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits wollte sie sich bei ihm für sein Eingreifen bedanken, andererseits ärgerte sie sich nicht wenig darüber. Selbstverständlich möchte jede Frau eine schöne Prinzessin sein, für deren Ehre ein hübscher junger Mann kämpft, und später sollte sich dann heraussteilen, daß er ein Prinz ist. Aber im wirklichen Leben wollte Jackie jede Andeutung vermeiden, daß sie zu William gehörte und er daher das Recht hatte, mit Gewalt gegen Terris Sohn vorzugehen.
Doch Williams fehlende Reaktion nahm ihr den Wind aus den Segeln. Allerdings wußte sie selber nicht, was sie eigentlich von ihm erwartet hatte. Schließlich rückte sie mit der Ankündigung heraus: »Da gibt es einen Mann in der Stadt, der gern mit mir ausgehen möchte.« Es sollte so klingen, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, aber Jackie war sich bewußt, daß sie William damit eifersüchtig machen wollte. Er sah aber nicht einmal von seiner Zeitung auf. Jackie fuhr fort: »Terri sagt, daß er furchtbar nett ist.« Allmählich kam sie in Fahrt, und ihre Stimme klang jetzt beinahe wie das Schnurren eines Kätzchens: »Edward Browne. Kennst du ihn? Terri meint, er sei ein wunderbarer Mann. Schon etwas älter und erfahrener. Er war schon mal verheiratet, ist also
Weitere Kostenlose Bücher