Unwiderstehliches Verlangen
breitschultrig und schmalhüftig und hatte gerade so viel Fett am Körper, daß man annehmen konnte, er wisse gutes Essen zu schätzen. Außerdem hatte er dunkle, an den Schläfen leicht angegrautes Haar und schöne dunkle Augen. Trotz seines sehr guten Aussehens wirkte er so, als hätte er gar keine Ahnung, daß er ein attraktiver Mann war. Kein Wunder, daß die Frauen in Chandler bereit sind, sich um ihn zu schlagen, dachte Jackie.
Er reichte ihr die Hand und begann: »Miss O’Neill, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, daß Sie meine Einladung angenommen haben. Ich bin seit Jahren Ihr Bewunderer.«
»Hoffentlich nicht seit zu vielen Jahren«, antwortete sie mit blitzenden Augen. Aber er schien ihren Humor nicht zu verstehen, denn er sah sie nur verwirrt an.
Er stellte einen Stuhl für sie zurecht und zeigte in jeder Hinsicht gute Manieren. Als sie sich in die Speisekarten vertieften, setzte ein längeres verlegenes Schweigen ein. Dann bestellte Edward sachverständig eine Flasche französischen Wein.
Nachdem sie die Speisen gewählt hatten, mußte Jackie an sich halten, um nicht ständig auf ihre Armbanduhr zu schauen. Dies würde ein sehr langer Abend werden. Sie hoffte, daß William sich Gedanken darüber machen würde, was sie jetzt wohl trieb. Dann rief sie sich innerlich zur Ordnung. Es war doch völlig unerheblich, was der kleine Billy Montgomery tat oder dachte. Er stellte ja nur eine Episode in ihrem Leben dar.
Edward schaute sie im Kerzenlicht an. »Dieses ganze Ritual bei einer Verabredung ist doch schrecklich, nicht wahr? Da treffen sich zwei völlig normale Menschen und sind auf einmal nervös und unsicher. Eine unmögliche Situation, die sie dazu verurteilt, krampfhaft gute Seiten an dem Partner herauszufinden.«
Jackie lächelte. »Ja, das finde ich auch schrecklich.«
Seine Augen glänzten. »Hat Ihnen Terri über mich auch so viel erzählt, wie sie mir über Sie erzählt hat?«
Das brachte Jackie zum Lachen. Nicht einmal das FBI wußte über die Kapitalverbrecher im Lande so viel, wie Terri ihr über Edward Browne erzählt hatte. Immer wieder hatte sie mit Nachdruck betont, daß Edward stark an Jackie interessiert sei. »Ich glaube, er liebt dich schon seit langem aus der Ferne«, hatte Terri gesagt. »Er weiß eine Menge über dich und hat mir noch tausend Fragen gestellt.«
»Und du hast natürlich eine Heilige aus mir gemacht«, sagte Jackie.
»Sollte ich ihn vielleicht auf deine schwachen Punkte aufmerksam machen?« Sie lächelte verschwörerhaft und sagte dann etwas, das Jackie aufstöhnen ließ. »Ich habe ihm mein Buch mit den gesammelten Zeitungsartikeln über dich gezeigt, und er war begeistert.«
Jackie hätte nun ganz gern gewußt, was Terri dem Mann über sie erzählt hatte. »Ja«, sagte sie zu Edward, »Terri hat unaufhörlich von Ihnen gesprochen. Das einzige, was sie ausgelassen hat, war, ob Sie tätowiert sind oder nicht.«
Wieder schien Edward verwirrt zu sein. »Nein, tätowiert bin ich nicht«, versicherte er ernsthaft. »Ach so, ich verstehe, Sie spielen darauf an, daß ich bei der Marine war.«
Jackie hatte auf gar nichts angespielt, sondern nur einen leichteren Ton ins Gespräch bringen wollen, was ihr offensichtlich nicht gelungen war. Der Salat wurde gebracht, und das ersparte ihr eine umständliche Erklärung.
»Ich glaube, wir brauchen nicht mehr über unsere beiderseitige Vergangenheit zu reden«, sagte er. »Bei Ihnen ist das ja sowieso nicht nötig, da Sie weltberühmt sind.«
Jackie haßte es, wenn jemand so etwas sagte. Es hörte sich immer so an, als könnte sie auf alles verzichten, wonach andere Menschen strebten: auf Liebe, Freundschaft, Herzlichkeit.
Edward stocherte in seinem Salat, und Jackie betrachtete ihn. Eigentlich kannte sie ihn ja gar nicht, und vielleicht hatte sie seine Einladung nur angenommen, um William zu ärgern. Aber als sie ihn so ansah, dachte sie: Das ist der Typ von Mann, den ich heiraten sollte. Dieser Mann ist vollkommen: Er hat das richtige Alter, die richtige Herkunft, die richtige Bildung. Mit diesem Mann konnte sie sich überall sehen lassen, und alle würden sagen: »Ihr Ehemann ist ein wunderbarer Mensch.«
Sehr leise, so daß Jackie ihn fast nicht verstand, fragte er: »Fehlt Ihnen Ihr Mann auch so, wie mir meine Frau fehlt?«
Die Frage kam ihm aus dem Herzen, und so antwortete Jackie ihm ernst. »Ja«, sagte sie und wartete, daß er weitersprechen würde. Er wirkt irgendwie traurig, dachte
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