Unzaehmbares Verlangen
Menge am Pike Place Market, vorbei an einigen Fisch- und Gemüseständen, und blieb schließlich vor einer kleinen Imbißbude stehen.
»Was sollen wir hier?« fragte Letty überrascht.
»Wir werden eine Kleinigkeit essen. Du hattest ja keine Gelegenheit, deine Austern zu kosten.«
»Nein, aber ich habe keinen Hunger mehr.«
»Unsinn«, erklärte Joel bestimmt. »Eine Firmenbesitzerin muß bei Kräften bleiben.« Er wandte sich an die junge Bedienung auf der anderen Seite der Theke. »Zwei Sandwiches mit Gurke und Joghurtsauce, bitte.«
»Sofort.« Eine Minute später reichte sie Joel zwei dicke, in Papier eingewickelte Brote.
»Hier, iß.« Joel drückte Letty eines davon in die Hand.
»Er hat einen Termin für mich vereinbart«, erklärte Letty zornig, bevor sie kräftig in das Sandwich biß. »Kannst du dir das vorstellen?«
»Einen Termin? Wofür?«
»Für eine Therapiesitzung, um meine sexuellen Probleme zu lösen.«
Joel kaute genüßlich und funkelte sie belustigt an. »Du hast eigentlich keine Schwierigkeiten, was das betrifft.«
Letty errötete. »Ich weiß, aber als ich versuchte, ihm das zu erklären, ignorierte er mich einfach. Schon früher hat er mir nie richtig zugehört.«
»Hast du ihm die Austern und die Pommes frites über den Kopf gekippt, weil er die Frechheit besessen hat, dich bei einem Arzt anzumelden?«
»Nein - aber weil er von mir verlangt hat, dich zu feuern. Er ist der Meinung, dein Einfluß auf mich würde immer größer.«
»Tatsächlich?« Joel grinste.
»Das ist nicht sehr witzig.« Letty schaute ihn wütend an. »Ich bin sehr betroffen.«
»Warum? Weil du Dixon den Laufpaß gegeben hast? An deiner Stelle würde ich mich darüber freuen.«
»Immerhin habe ich damit den einzigen Heiratsantrag abgelehnt, den ich in letzter Zeit bekommen habe«, entgegnete Letty hitzig. »Und das ist mir nicht sehr leicht gefallen.«
Joel verschluckte sich. »Heiratsantrag?« Er hustete und schnappte nach Luft.
Letty spürte ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend. »Anscheinend ist dir der Gedanke an eine Ehe völlig fremd«, sagte sie steif. »Aber da, wo ich herkomme, ist es ganz normal, daß man heiratet, wenn man eine romantische Beziehung hat.«
»Hör zu, Liebling, ich wollte damit nicht sagen, daß eine Ehe für mich nicht in Frage kommt«, erwiderte Joel rasch und schob sich den letzten Bissen seines Sandwiches in den Mund. »Wenn du allerdings darauf anspielst, daß wir beide an Heirat denken sollten, muß ich etwas klarstellen.«
»Und das wäre?«
»Solange du Besitzerin von Thornquist Gear bist, kann ich dich nicht heiraten.«
Sie blieb abrupt stehen, ohne sich um die vielen Menschen um sie herum zu kümmern. »Warum nicht?«
»Verdammt, verstehst du das nicht? Jeder - selbst du -würde denken, ich hätte dich nur wegen der Firma geheiratet. Das habe ich dir schon einmal gesagt.«
Letty hob gedankenvoll die Augenbrauen. »Nein, ich würde das nicht glauben.«
»Mach dir doch nichts vor. Früher oder später käme dir dieser Gedanke.« Joel warf das Einwickelpapier in einen Papierkorb und beschleunigte den Schritt.
Letty sah ein, daß es im Moment keinen Sinn hatte, weiter mit ihm darüber zu diskutieren. Immerhin hatte er nicht gesagt, er wolle sie nicht heiraten, weil er sie nicht liebe. »In Ordnung, vielleicht sollten wir das Thema ruhen lassen.«
»Allerdings. Das letzte Mal, als ich heiraten wollte, dachte jeder, ich wäre nur hinter einer Firma her. Diesen Vorwurf werde ich mir nie wieder machen lassen.«
»Ich verstehe«, sagte Letty traurig. Es ging also wieder um Diana. Sie bemühte sich, mit Joel Schritt zu halten, und spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Er stand anscheinend immer noch stark unter dem Einfluß der vergangenen Ereignisse. Sie fragte sich, welche Probleme sich noch daraus ergeben würden.
Schweigend gingen sie die First Avenue entlang, vorbei an einigen Pfandleihgeschäften, Theatern, Restaurants, Boutiquen und Galerien. Der Himmel hatte sich bewölkt, und es war kühl geworden.
»Joel?«
»Ja?«
»Du hast vorher eine Krise erwähnt. Worum geht es?«
Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Copeland hat mich heute morgen aufgesucht.«
»Was? Davon habe ich nichts erfahren«, sagte Letty verblüfft.
»Dein Mr. Bigley hat wohl versagt«, bemerkte Joel kühl.
»Und was ist geschehen? Hast du ihm mitgeteilt, daß Keith ab sofort das Unternehmen leitet?«
»Ja. Daraufhin bekam er einen Wutanfall, schnappte sich eine Lampe und
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