Unzaehmbares Verlangen
müssen, auf vernünftige Weise damit umzugehen - schließlich sind wir beide erwachsen. In den letzten Wochen habe ich viel darüber nachgedacht, und mir ist klar geworden, daß du professionelle Hilfe brauchst, mein Liebling.«
»Professionelle Hilfe?«
»Eine Therapie«, erklärte Philip liebenswürdig.
»Ich glaube nicht, daß ein Therapeut mir helfen könnte, Philip.«
»Unsinn. Du brauchst jemanden, der dich unterstützt. Du mußt lernen, mit deiner Unfähigkeit umzugehen, Leidenschaft zu empfinden und einen Höhepunkt zu erreichen.«
Letty wurde rot. Sie war zornig und fühlte sich gedemütigt.
»Philip, bitte!«
»Selbstverständlich bin ich bereit, dich zu den Sitzungen zu begleiten. Wir sind ein Paar und müssen uns den Problemen gemeinsam stellen. Vielleicht bin ich selbst schuld, daß es so weit gekommen ist. Ich hätte sofort auf einer Therapie bestehen sollen, als ich spürte, daß du Hilfe brauchst. Statt dessen habe ich es zugelassen, daß meine eigene Frustration immer stärker wurde.«
»Ich lege jetzt auf, Philip.«
»Nur aus Verzweiflung suchte ich dann Trost bei einer anderen Frau.«
»Leb wohl, Philip.«
»Auf gewisse Weise habe ich es für uns getan, Letty.«
»Meine Güte, Philip. Du erwartest doch wohl nicht, daß ich dir das abkaufe?«
»Du darfst jetzt nicht auflegen. Wir müssen miteinander reden.«
»Ich habe keine Lust, über unsere Beziehung zu sprechen, Philip. Das deprimiert mich.«
»Das verstehe ich«, sagte er beruhigend. »Wir müssen ganz langsam vorgehen. Ich weiß, daß du im Moment unter großem Druck stehst. Deine Freundin Connie hat mir erzählt, daß du die Firma deines Großonkels geerbt hast. Sie sagte, du hättest allen Ernstes vor, sie selbst zu leiten.« Philip lachte leise. »Das ist eine große Verantwortung, Letty.«
»Ja, das stimmt. Ich werde mich in meinen neuen Aufgabenbereich stürzen - das ist billiger als eine Therapie.«
Letty legte den Hörer auf die Gabel und runzelte die Stirn. Sie fragte sich, was Philip damit gemeint hatte, als er behauptete, ihr Sekretär hätte seine Gespräche nicht durchgestellt. Es mußte sich um ein Mißverständnis handeln. Sie schob den Gedanken beiseite - Joel mußte jeden Moment eintreffen.
Als es läutete, verließ Letty rasch die Küche, um die Tür zu öffnen. Joel hielt eine Flasche Champagner in der Hand.
»Hier riecht es nicht nach Sushi«, erklärte er.
Letty lächelte. Sie war froh, daß er gekommen war und offensichtlich keinen Groll mehr gegen sie hegte. Trotzdem war sie unerklärlich nervös.
»Ich habe nur ein wenig grüne Gelatine und ein paar Limabohnen zusammengerührt«, erwiderte sie schlagfertig. »Sie glauben gar nicht, was man alles mit grüner Gelatine machen kann. Gibt man ein paar Marshmallows dazu, hat man eine Nachspeise. Mit Käse aus der Tube entsteht daraus eine Vorspeise. Zum Hauptgericht serviert man sie mit Hamburgern.«
Joel kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, Sie nehmen mich auf den Arm, Miß Thornquist.«
»Richtig vermutet, Mr. Blackstone. Ich habe eine Lasagne mit herrlich frischem Spinat zubereitet, den ich auf dem Markt am Pike Place gekauft habe.«
»Klingt großartig. Darf ich hereinkommen und den Champagner öffnen?« fragte Joel höflich.
Letty trat rasch einen Schritt zurück. »Ja, bitte.«
»Eine hübsche Wohnung.« Joel sah sich anerkennend um und bewunderte dann die Aussicht auf Elliott Bay.
»Danke.« Letty schloß die Tür hinter ihm. Heute nachmittag war ihr die Wohnung noch riesig erschienen - jetzt kam sie ihr plötzlich viel zu klein vor. Rasch ging sie wieder in die Küche. »Ich bin natürlich noch nicht ganz eingerichtet, aber in ein paar Tagen werde ich soweit sein. Seit heute habe ich sogar ein Telefon.«
»Stört Sie der Regen?« Joel folgte ihr und stellte die Champagnerflasche auf den Küchentisch. »In letzter Zeit scheint es pausenlos zu regnen.«
»O nein.« Letty öffnete den Herd und beugte sich über die Lasagne. »Ich liebe Regen.«
Joel lachte leise, als hätte sie einen gelungenen Scherz gemacht. »Ich dachte mir schon, daß Sie das sagen würden.«
Geschickt entkorkte er die Flasche. »Haben Sie Gläser?«
»Hier.« Letty schloß die Herdklappe und nahm zwei langstielige Sektkelche aus dem Schrank.
Joel schenkte ein und reichte ihr ein Glas. Als Letty sah, wie er sie musterte, erschauerte sie unwillkürlich.
»Wenn ich auch nur einen Funken Verstand hätte, würde ich mich nicht darauf einlassen«, sagte Joel
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