Unzaehmbares Verlangen
entgangen. Victor Copeland war zweifellos ein bedeutender Mann in Echo Cove.
»Ich nehme an, Sie wissen inzwischen, daß Joel Blackstone und ich uns schon sehr lange kennen«, meinte Victor schroff.
»Ja.« Letty bemerkte, daß Victors Gesicht auch am frühen Morgen hektische rote Flecken aufwies. Sie fragte sich, ob er vor kurzem krank gewesen war oder ob sein starkes Übergewicht ihm zu schaffen machte.
»Ich muß zugeben, daß unsere Beziehung nicht gerade sehr angenehm verlaufen ist«, gab er seufzend zu. »Er hat früher für mich gearbeitet.«
»Das wußte ich nicht.«
»Er und sein Vater.« Victor schüttelte nachdenklich den
Kopf. »Hank Blackstone arbeitete beinahe sein ganzes Leben für mich, bis er eines Tages betrunken mit seinem Auto von einer Klippe außerhalb der Stadt stürzte.«
»Joels Vater ist tot?« fragte Letty bestürzt.
»Schon seit fünfzehn Jahren. Ich mochte Hank. Er war ein aufrichtiger Mann und ein fleißiger Arbeiter. Leider ist sein Sohn nicht nach ihm geraten. Joel wollte sein Glück schon immer auf die schnelle Art machen. Verstehen Sie, was ich meine?«
Letty dachte daran, daß Joel zehn Jahre seines Lebens investiert hatte, um Thornquist Gear von einem kleinen Laden zu einem bedeutenden Unternehmen aufzubauen. »Nein, eigentlich nicht, aber das spielt keine Rolle. Ich bin nicht an Ihrer Meinung über Joel interessiert.«
Victor wirkte verletzt. »Ich wollte Ihnen nur die Zusammenhänge erklären, damit Sie verstehen, warum es böses Blut zwischen uns gibt. Hank war ein zuverlässiger, ehrlicher Mann, aber sein Sohn hat immer nur Ärger gemacht. Das können Ihnen eine Menge Leute in dieser Stadt bestätigen.«
»Ich finde, wir sollten unser Gespräch auf geschäftliche Dinge beschränken, Mr. Copeland.«
Er schüttelte langsam den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Es gibt einen Grund, warum ich niemals mit ihm Geschäfte machen kann, Letty. Er sinnt auf Rache. Das ist alles, was er will.«
»Rache?«
»Ja. Ich wußte es sofort, als ich ihn gestern in dem Restaurant sah. Charlie Thornquist ist gestorben, und Joel will jetzt seine Position nutzen, um mir Copeland Marine wegzunehmen. Und es stört ihn überhaupt nicht, daß er damit nicht nur mein Unternehmen, sondern auch die ganze Stadt zugrunde richtet.«
»Glauben Sie denn, daß die Stadt Schaden erleidet, wenn Ihr Unternehmen geschlossen wird?«
Victor sah sie eindringlich an. »Das weiß ich genau. Zum Teufel, Echo Cove würde ohne Copeland Marine nicht existieren. Das ist eine Tatsache. Jeder hier kann Ihnen das bestätigen. Wenn Copeland liquidiert wird, geht die ganze Stadt vor die Hunde.«
Das hatte Letty befürchtet. Nachdenklich trank sie einen Schluck Kaffee. Noch vor wenigen Wochen hätte er ihr wohl geschmeckt, doch jetzt fand sie ihn viel zu schwach und geschmacklos. Wahrscheinlich hatte sie sich schon an die stärkere Röstung in Seattle gewöhnt.
»Vielleicht sollten Sie mir erzählen, warum Joel Ihre Firma vernichten will«, schlug sie vor.
Copelands Augen funkelten. »Ich dachte, Sie hätten es nach dem gestrigen Abend bereits erraten.«
»Nein, tut mir leid.« Sie war viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen.
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß Joel Blackstone es sich immer so leicht wie möglich machen wollte. Vor fünfzehn Jahren hat dieser Mistkerl...«
Letty hob warnend die Hand. »Bitte sprechen Sie nicht in diesem Ton von meinem Geschäftsführer.«
Victor runzelte die Stirn. »Vor fünfzehn Jahren erkannte Joel Blackstone, daß er sich ein schönes Leben machen könnte, wenn er meine Tochter heiratete.«
Letty sah ihn verblüfft an. »Diana?«
Victor nickte traurig. »Ja. Damit wollte er sich ins gemachte Nest setzen. Er dachte, als mein Schwiegersohn würde ich ihm früher oder später die Firma übergeben, und er könnte für den Rest seines Lebens seine Füße auf meinen Schreibtisch legen.«
Letty stellte mit zitternden Fingern die Tasse auf den Tisch. »Sie waren also mit der Heirat nicht einverstanden?«
»Zum Teufel, nein. Blackstone wußte genau, daß ich meine Tochter nie einem Taugenichts wie ihm anvertrauen würde, also verführte er sie.« In Victors Augen blitzte Haß auf, und die roten Flecken in seinem Gesicht verstärkten sich. »Dieses Schwein hat sich an meiner Tochter vergriffen. Bitte entschuldigen Sie, Letty, aber anders kann ich es nicht ausdrücken. Wahrscheinlich dachte er, ich müßte einer Heirat zustimmen, wenn sie schwanger wäre. Ich
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