Unzertrennlich
unsicher an. Ruth, die in diesem Moment aus der Kabine kam, legte einen Armvoll Hosen und Jacken auf einen Sessel.
»Die Hose war leider verschnitten, der Rest gefiel mir nicht. Bis zum nächsten Mal.«
Sie hakte Gabi unter. »Ich brauche jetzt was zu trinken, komm, wir suchen ein Café.«
Beim Verlassen des Ladens streckte Gabi hinter ihr dir Hand aus und zeigte drei Finger. Die verwirrte Verkäuferin schüttelte nachdenklich den Kopf.
Eine halbe Stunde später saßen sich Gabi und Ruth in einem kleinen Café gegenüber. Ruth verrührte Süßstoff in ihrem Espresso und zündete sich eine Zigarette an.
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie Größe 38 getragen. Die spinnt doch.«
Gabi wickelte ihren Keks aus dem Alupapier. »Und wenn schon. Meine Güte, Ruth, du bist immer noch gertenschlank, es ist doch egal, welche Größe du hast.«
»Das ist mir nicht egal. Ich werde fett. Das kommt ab 30 und mit fester Beziehung. Es ist statistisch erwiesen, dass liierte Frauen schneller zunehmen als Singlefrauen.«
Gabi schüttelte den Kopf. »Du kannst dich ja von Karsten trennen, vielleicht nimmst du dann ab.«
»Du findest also auch, dass ich dicker geworden bin?«
»Ruth, bitte, nein, das kann ich zumindest nicht sehen. Nur, weil du so drauf rumhackst.«
»Vielleicht sollte ich mich wirklich von Karsten trennen.« Ruth sah in Gabis verblüfftes Gesicht, dann fing sie wieder an, in ihrer Tasse zu rühren. »Nein, im Ernst. Das Zunehmen ist ja symbolisch. Ich habe es so satt. Wir sind wie ein altes Ehepaar. Karsten hängt den ganzen Tag in der Klinik vor seinen Röntgengeräten und guckt sich fremde Leute von innen an. Davon, wie es in mir aussieht, hat er keine Ahnung.«
Gabi wickelte Ruths Keks aus. »Wie sieht es denn in dir aus?«
»Ach, was weiß ich. Das Leben ist so langweilig geworden. Karsten kommt nach Hause, kocht, isst, setzt sich an den Computer, geht ins Bett. Wir gehen auf keine Party mehr, lernen keine neuen Leute kennen, machen überhaupt nichts Aufregendes mehr. Jeden Tag derselbe Scheiß. Ich bin es leid.«
»Ruth, ihr macht zweimal im Jahr Urlaub, ihr habt eine Wohnung auf Sylt, ihr wohnt in einer 140-qm-Wohnung in Eppendorf und dann ist dein Liebster auch noch ein richtig guter Typ. Was willst du eigentlich?«
Ruth sah Gabi genervt an. »Die Urlaube, toll. Im Sommer zwei Wochen Toskana, weil Karsten sich da so gut erholt, im Winter Skilaufen, seit fünf Jahren mit derselben Clique. Die Wohnung auf Sylt gehört Karsten und seinem Bruder, mit dem wir uns absprechen müssen. Und der gute Karsten ist ständig müde.«
Gabi wollte antworten, schluckte den Satz aber runter. Es hatte keinen Zweck. Ruth sah sie nachdenklich an.
»Dir geht es gut, du kannst machen, was du willst, dein Mann arbeitet in Frankfurt und ihr seht euch nur am Wochenende. Du weißt gar nicht, wie ich dich beneide, ich habe Karsten jeden Tag am Hals.«
Manchmal hatte Gabi das drängende Bedürfnis, Ruth links und rechts zu ohrfeigen. Sie widerstand auch dieses Mal. Stattdessen sagte sie mit ihrer nettesten Freundinnenstimme: »Das ist auch nicht immer leicht, gerade während der Woche, wenn es einem…«
Ruth unterbrach sie, ohne es zu merken. »Ich habe vor ein paar Wochen einen richtig guten Typen kennen gelernt. Markus. Er ist Fotograf und kommt aus Köln. Wir waren zusammen in der Ausstellung, über die ich den Artikel geschrieben habe. Da waren auch seine Bilder dabei. Total stark.«
»Er oder die Bilder?«
»Beides. Jedenfalls waren wir danach noch ein Bier trinken. Er wohnte im Hotel, na ja, wir waren beide ziemlich betrunken, also, ich bin noch mit zu ihm gefahren, Gabi, das war die beste Nacht, die ich seit Jahren hatte.«
Gabi nahm sich eine Zigarette aus Ruths Schachtel. Sie hatte eigentlich vor drei Jahren aufgehört, rauchte nur noch in Ausnahmesituationen. Sie hatte eine Ahnung, was als Nächstes kommen würde.
»Ich denke, du rauchst nicht mehr. Na, egal, also, ich wollte dich um einen Gefallen bitten, sozusagen einen Freundschaftsdienst.«
Das war also der Grund, warum sie mal wieder gemeinsam shoppen waren. Gabi war überrascht gewesen, als Ruth den Vorschlag gemacht hatte. Sie hatten sich in der letzten Zeit selten privat getroffen.
»Markus hat einen Auftrag von einer Hamburger Werbefirma bekommen. Er fängt Montag an und bleibt drei Wochen. Ich habe Karsten erzählt, dass es dir nicht besonders gut geht, weil du doch die ganze Woche allein zu Hause rumsitzt, und dass wir uns wieder öfters
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