Unzertrennlich
ich habe meinen Schlüssel vergessen.«
»Das, meine Süße, habe ich mir gedacht.«
Lena zog das Garagentor runter und kam auf ihre Tochter zu. Sie küssten sich, dann schloss Lena die Haustür auf. Kathleen lief an ihrer Mutter vorbei in die Küche. Während Lena ihre Schuhe auszog, hörte sie schon die Kühlschranktür aufgehen und das Klirren von Flaschen. Weiter nichts.
»Kathleen, nimm dir ein Glas, ich finde das ekelig, wenn alle aus der Flasche trinken.«
Kathleen kam in den Flur, die Saftflasche in der Hand. Sie grinste. »Woher wusstest du das?«
»Ich habe die Schranktür nicht gehört. Und es standen keine Gläser mehr rum.«
»Nicht schlecht.« Trotzdem trank Kathleen weiter aus der Flasche. Als sie den Blick ihrer Mutter sah, setzte sie ab. »Ach ja, bevor ich heute Mittag zu Carina gefahren bin, habe ich den Briefkasten geleert. Da war ein Brief für dich dabei, den habe ich aus Versehen eingesteckt.«
Lena lachte. »Aus Versehen? Du hattest nur keine Lust, noch mal reinzukommen. Zeig mal, was ist das für ein Brief?«
Kathleen wühlte in ihrem mit Taschentüchern, Federmäppchen, Büchern vollgestopften Rucksack und zog schließlich einen verknitterten Briefumschlag hervor. Sie drehte ihn um und las laut vor.
»Von einer Marleen de Vries oder so, kennst du die?«
Lena griff nach dem Umschlag und sah sich den Absender genau an.
»Marleen… ja sicher, Oma hilft ihr doch immer im Lokal. Komisch. Oma hat sich doch wohl nicht danebenbenommen?«
Kathleen kicherte. »Oma war bestimmt besoffen und hat schmutzige Lieder gesungen.«
Inzwischen hatte Lena den Umschlag aufgerissen und die beiden Briefbögen geglättet. Mit gerunzelter Stirn überflog sie die Zeilen: »…und habe von deiner Mutter deine Adresse… Christines Geburtstag… November, wäre schön, wenn du kämst… was soll das denn?«
Kathleen sah ihre Mutter fragend an. »Und? War Oma besoffen?«
Lena sah auf und schüttelte den Kopf.
»Nein, Oma war wie immer vorbildlich, sie soll eine Medaille kriegen, für die besten Fleischklöße der Welt.«
Kathleen zuckte mit den Achseln. »Ich finde die ja immer zu klein, na egal, ich muss noch Englisch machen, ich gehe nach oben.«
»Was ist denn mit Essen?«
»Hab ich bei Carina, ich bin satt.«
Lena sah ihrer Tochter nach, bevor sie in die Küche ging, sich ein Bier aus dem Kühlschrank holte und die Flasche mit ins Wohnzimmer nahm. Sie setzte sich aufs Sofa, legte ihre Beine auf den Tisch, trank das Bier aus der Flasche und las den Brief noch einmal. Dann starrte sie auf den Fragebogen.
Christine… Lena überlegte, wann sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Damals war Kathleen vielleicht zwei gewesen. Christine und Bernd waren gerade in ihr Haus gezogen und hatten eine Einweihungsparty gegeben. Oder hatte Bernd Geburtstag gehabt? Lena konnte sich nicht mehr genau erinnern, sie wusste nur, dass es ein grauenhafter Abend gewesen war. Sie konnte noch heute ihre Erleichterung spüren, als sie endlich im Auto saßen und nach Hause fuhren. Am nächsten Tag hatte sie lange mit Jürgen darüber gesprochen. Er hatte ihr damals geraten, mit Christine zu reden, schließlich seien sie schon so lange befreundet, das könnte man doch nicht so beenden. Aber Lena hatte sich geweigert, sie habe ja nicht angefangen, wieso solle ausgerechnet sie klein beigeben.
Ihr Mann hatte die Schultern gehoben und irgendwas gemurmelt, das wie »Mädchenkram« klang. Aber er hatte sie anschließend in Ruhe gelassen.
Es war wirklich zehn Jahre her und es war das letzte Mal gewesen, dass sie bei Christine zu Hause war. Danach hatten sie sich ein paarmal zufällig gesehen, zwei, drei Sätze geredet, ihr war dabei immer unbehaglich. Jahre später hörte Lena über ihre Mutter von Christines Trennung. Jürgen hatte ihr vorgeschlagen, sich doch jetzt mal bei Christine zu melden. Aber irgendwie hatte es sich nie ergeben.
Und jetzt dieser Brief. Dabei war er noch nicht einmal von Christine selbst. So wie es sich anhörte, hatte sie auch keine Ahnung davon.
Lenas Gedanken wurden von Kathleen unterbrochen, die im Schlafanzug vor ihr stand und Gute Nacht sagen wollte. Lena legte den Brief unter die Fernsehzeitschrift, die auf dem Tisch lag, und stand auf.
Sie würde später mit Jürgen darüber reden.
Hamburg
Christine stand auf dem Markt vor einem Blumenstand und konnte sich nicht entscheiden. Sie kaufte sich jedes Wochenende Blumen, mal mehr, mal weniger, je nachdem, wie die Woche gewesen war. Diese Woche
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