Unzertrennlich
Mutter fröhlich zu. Diese machte eine entschuldigende Geste in Lenas Richtung. Lena gab den anderen Mädchen noch weitere Anweisungen. Nach kurzer Zeit kam das kleine blonde Mädchen zurück. Lena nickte ihr zu.
»Hemd in die Hose, Mila. Gut, und jetzt strengt euch noch ein bisschen an, wir haben noch zehn Minuten.«
Sie ging rückwärts vom Spielfeld und führte dabei die Pfeife an die Lippen. Der Pfiff brachte das Spiel wieder in Bewegung.
Eine halbe Stunde später half Lena ihren Schützlingen dabei, ihre Sachen zusammenzusuchen und ihre Schuhe und Jacken anzuziehen. Einige Mütter saßen dabei, sie redeten miteinander über andere Mütter, über die bevorstehenden Herbstferien und das nächste Punktspiel am Wochenende.
Später ging Lena noch einmal durch die Halle und die Umkleideräume. Anika hatte ihren Schal liegen gelassen, auf der Gymnastikmatte lag noch eine Haarspange. Lena sammelte alles ein, löschte das Licht und schloss die Hallentür hinter sich ab.
Seit über dreißig Jahren hatte sie mindestens zweimal in der Woche diesen typischen Turnhallengeruch in der Nase. Als 14-jährige wurde ihr Handballtalent im Sportunterricht entdeckt, mit 16 spielte sie in der Landesjugendauswahl, mit 18 machte sie ihren Trainerschein. Vor fünf Jahren hatte sie beschlossen, ihre aktive Spielerzeit zu beenden, das heißt, ihr Orthopäde hatte das beschlossen. Nach über zwanzig Jahren Leistungssport waren sowohl ihre Knie als auch ihr Schultergelenk lädiert. Lena war froh, dass sie wenigstens noch als Trainerin mitmischen konnte, der Rückzug wäre ihr sonst wesentlich schwerer gefallen.
Sie schloss ihr Auto auf, das einsam auf dem Parkplatz vor der Halle stand, und stellte ihre Sporttasche auf den Rücksitz. Als sie den Wagen starten wollte, klingelte ihr Handy.
»Hallo, Meistertrainerin, du, ich bin noch im Sportheim, wir haben die Spielpläne für das Turnier fertig gemacht, kannst du mich mit nach Hause nehmen? Dann braucht Ulli mich nicht zu fahren.«
Jürgen, Lenas Mann, war genauso sportbesessen wie sie. Seine Knie waren allerdings robuster, er spielte immer noch in einer Klasse, die sich Alte Herren nannte. Außerdem war er Trainer der männlichen Jugend und gleichzeitig im Vereinsvorstand engagiert.
Lena sah auf die Uhr. 18.30Uhr. Sie überlegte kurz, bevor sie antwortete.
»Ich habe Kathleen gesagt, dass sie um 19Uhr zu Hause sein soll, und so wie ich unsere Tochter kenne, hat sie garantiert keinen Hausschlüssel mit. Dann steht sie vor verschlossener Tür. Wenn ich dich erst noch abhole, schaffe ich es nicht.«
Jürgen stöhnte. »Dass dieses Kind immer seinen Schlüssel vergisst, macht mich noch wahnsinnig. Na gut, dann muss mich Ulli halt bringen. Bis später.«
Lena fuhr los und empfand einen kurzen sehnsüchtigen Stich. Eigentlich hätte sie Lust gehabt, kurz im Sportheim vorbeizufahren, noch ein Bier mit Jürgen, Ulli und einigen anderen zu trinken und einmal nicht auf die Uhr sehen zu müssen. Doch seit Kathleen auf der Welt war, musste alles durchorganisiert werden. Jürgen war den ganzen Tag in der Reederei, Lena arbeitete halbtags als Bauzeichnerin. Daneben liefen Schularbeiten, Arztbesuche, Elternabende, Kindergeburtstage und nicht zuletzt die gemeinsame Handballbegeisterung. Jürgen und sie hatten alles perfekt geplant.
Montagabend hatte Jürgen Training, Dienstag war nichts, Mittwoch trainierte Lena die Mädchen, Donnerstag Jürgen die Jungs, Freitag war frei und am Wochenende liefen die Punktspiele.
Jürgen und Lena hatten Kathleen von Anfang an mit in die Hallen genommen, das Kind war inmitten von Ballnetzen und Sporttaschen aufgewachsen. Es hatte ihr anscheinend nicht geschadet. Als sie sechs war, wurde sie aktives Mitglied und von ihrer Mutter trainiert. Sie hatte Talent, trotzdem hatte sie vor einem Jahr beschlossen, erst einmal aufzuhören. Kathleen ging jetzt aufs Gymnasium und sie war ehrgeizig. Sie wollte ihre Hausaufgaben in Ruhe machen und nicht zweimal in der Woche ihre Sportsachen packen. So hatte sie es mit ernsthaftem Gesicht ihren Eltern erklärt, die die Entscheidung ihrer Tochter zwar schweren Herzens, aber ohne Kommentar schluckten.
Als Lena in die Auffahrt ihres Hauses bog, kam Kathleen gerade mit ihrem Rad um die Ecke. Sie winkte ihrer Mutter zu, stieg ab, lehnte das Fahrrad an die Hauswand und öffnete ihrer Mutter die Garage. Lena fuhr ihr Auto hinein und stellte den Motor ab. Kathleen blieb vor der Haustür stehen.
»Das ist gut, dass du pünktlich bist,
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