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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Gunny Schloss erschossen hatte, war das Billys dritter Mord seit Tagesanbruch gewesen, und er hatte außerdem bei zwei weiteren Morden assistiert. Daher hätte er ausgelassen und vergnügt sein sollen, aber er konnte dem Tag keinerlei Spaß abgewinnen und jeder Übermut war von ihm gewichen.
    Als er von dem Restaurant in Monterey wegfuhr und den Blick des Hundes selbst dann noch auf seinem Hinterkopf fühlte, als er bereits um die Ecke gebogen war, beschloss er, das Problem könnte darin bestehen, dass er diese Leute ausschließlich aus geschäftlichen Gründen getötet hatte. Keiner war aus purem Jux draufgegangen, als ein Ausdruck seiner Überzeugung, dass das Leben eine Parade von Narren war, die ohne jeden Zweck voranmarschierten.
    Shumpeter war kein Geschäftspartner gewesen, aber er war auch nicht in einem Akt sinnloser Gewalt getötet worden. Billy hatte ihn umgelegt, um an seinen Cadillac zu kommen und sein Haus als Hochofen zu benutzen, in dem er belastendes Beweismaterial zerstörte, das für mehrfach lebenslänglich ausgereicht hätte.
    Zu seinem Verdruss erkannte Billy, dass er vom Weg abgekommen war. Er hatte sich von seinen Geschäften derart vereinnahmen lassen, dass er von der Philosophie abgelassen hatte, die ihm ein so glückliches und erfolgreiches Leben beschert hatte. Es war ihm so ernst geworden mit dem illegalen Rauschgifthandel, dem Waffenhandel, dem Organhandel und anderen Unternehmungen, dass er der Vorstellung
erlegen war, das, was er tat, würde zählen . Abgesehen von dem Umstand, dass alles, womit er sein Geld verdiente, illegal war, konnte er nicht den geringsten Unterschied zwischen sich und Bill Gates erkennen. Er hatte sich dem Ziel verschrieben, etwas aufzubauen , ein Vermächtnis zu hinterlassen.
    Seine eigene Entwicklung berührte ihn peinlich. Er war zu einem Bourgeois der Gegenkultur geworden, verführt durch die Illusion von Sinn und Zweck, von Erreichbarem und von Errungenschaften.
    Als er gestern Abend nach dem unerklärlichen Weinkrampf Brian McCarthys Wohnung verlassen hatte, hatte er sich auf der Fahrt gesagt, das Mittel, das seine Stimmung mit Sicherheit bessern würde, sei der skrupellose Mord an einem wildfremden Menschen, den er nach Lust und Laune auswählte, um damit die Bedeutungslosigkeit des Lebens und dessen schwarzen Humor zu bekräftigen.
    Er hatte Recht gehabt. Was für ein klarsichtiger Augenblick. Aber mehr als einen halben Tag später hatte er seinen eigenen guten Rat immer noch nicht befolgt.
    Der Learjet ermöglichte es ihm, Bockhüpfen mit McCarthy und Amy Redwing zu spielen und sie lange vor ihrer Ankunft am Überwachungspunkt zu erwarten. Er hatte also Zeit, sein Leben wieder auf die richtige Bahn zu lenken.
    Am Parkplatz vor einem Discounter öffnete Billy den Waffenkoffer. Er schob das dreiunddreißigschüssige Magazin in die 9mm Glock 18 und schraubte den Schalldämpfer auf.
    Dann fuhr er durch die Gegend.
    Während der nächsten halben Stunde liefen ihm etliche ausgezeichnete Ziele über den Weg. Eine ältere Frau, die ganz reizend aussah und ein Malteserhündchen spazieren führte. Ein Mädchen im Rollstuhl. Eine sehr schöne junge
Frau, die zurückhaltend gekleidet war und in einen Honda einstieg, auf dessen Stoßstangen Sticker drängten: SAG EINFACH NEIN ZU DROGEN und ABSTINENZ BEWÄHRT SICH IMMER.
    Als es ihm misslang, die nötige Energie aufzubieten, um einen Schuss auf eine junge Mutter abzugeben, die einen Zwillingswagen mit zwei Babys schob, wusste Billy, dass er eine Midlife-Crisis hatte.
    Auf dem Parkplatz eines anderen Discounters schraubte er den Schalldämpfer von der Glock, warf das Magazin aus und legte alles wieder in die ausgestanzten Vertiefungen im Schaumstoffeinsatz des Koffers zurück.
    So sehr wie jetzt hatte er sich in seinem ganzen Leben noch nicht gefürchtet.
    Wenn er seinen derzeitigen Job zu Ende geführt hatte, würde er sich länger als nur ein paar Tage freinehmen, vielleicht sogar einen ganzen Monat. Er würde die gesamte Zeit als Tyrone Slothrop verbringen und all die Klassiker noch einmal lesen, die ihn in seiner Jugend befreit hatten.
    Das Problem konnte darin bestehen, dass die heutige Generation entfremdeter, bitterer, ironischer, zorniger, nihilistischer Schriftsteller mit einem Hang zur Komik nicht so begabt war wie die Giganten, die vor ihnen da gewesen waren. Wenn er sich mit schwachem Tee gestärkt und ihn irrtümlich für Hochprozentiges gehalten hatte, das wie ein Blitz ins Gehirn einschlug, dann konnte

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