Urangst
sagte Amy.
»Das kann ich nicht annehmen.«
»Ich habe den Hund gekauft.«
»Carl ist jetzt im Gefängnis.«
»Er wird bald gegen Kaution wieder draußen sein.«
»Aber er wird den Hund nicht wollen.«
»Weil ich ihn gekauft habe.«
»Mich wird er wollen – nach dem, was ich getan habe.«
»Er wird Sie nicht finden. Das verspreche ich Ihnen.«
»Wir können uns jetzt keinen Hund leisten.«
»Kein Problem. Ich habe Ihnen den Hund ja abgekauft.«
»Ich würde Ihnen Nickie ohnehin geben.«
»Das Geschäft ist gemacht.«
»Das ist eine Menge Geld«, sagte Janet.
»So viel nun auch wieder nicht. Wenn ich mich einmal mit jemandem auf einen Handel geeinigt habe, dann bleibt es dabei.«
Die Frau schloss ihre linke Hand um das Bargeld und die rechte Hand um die linke, legte ihre Hände in den Schoß und senkte den Kopf.
Die Ampel wurde grün, und als Amy über die Kreuzung fuhr, sagte Janet leise: »Danke.«
Amy dachte an den Hund im Kofferraum und sagte: »Sie können mir glauben, Herzchen, ich habe das bessere Geschäft gemacht.«
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und sah, dass der Hund über den Rücksitz hinweg nach vorn schaute. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel und dann sah Amy wieder auf die Straße vor sich.
»Wie lange haben Sie Nickie gehabt?«, fragte Amy.
»Etwas mehr als vier Monate.«
»Wie sind Sie zu ihr gekommen?«
»Das hat Carl mir nicht gesagt. Er brachte sie einfach eines Tages mit nach Hause.«
Sie fuhren auf der Schnellstraße, die an der Küste entlangführt, nach Süden und hatten Gestrüpp und Strandhafer zu ihrer Rechten. Hinter dem Gras lag der Strand. Das Meer.
»Wie alt ist sie?«
»Carl hat gesagt, vielleicht zwei Jahre.«
»Dann hatte sie ihren Namen also schon, als sie zu Ihnen kam.«
»Nein. Er kannte ihren Namen nicht.«
Das Wasser war schwarz, der Himmel war schwarz und die Pinselstriche des Malermonds wandten sich, obwohl er schon im Untergehen begriffen war, den Wellenkämmen zu.
»Wer hat ihr dann den Namen gegeben?«
Janets Antwort überraschte Amy: »Reesa. Theresa.«
Das Mädchen hatte an diesem Abend kein Wort gesagt, nur mit dieser hohen reinen Stimme in einer Sprache gesungen, die Keltisch hätte sein können. Im übrigen hatte sie so unbeteiligt gewirkt, wie man es bei einer milden Form von Autismus erwartet hätte.
»Warum Nickie?«
»Reesa hat gesagt, das sei schon immer ihr Name gewesen. «
»Schon immer.«
»Ja.«
»Aus irgendeinem Grund … Ich hätte nicht gedacht, dass Theresa viel redet.«
»Das tut sie auch nicht. Manchmal sagt sie wochenlang nichts und dann auch nur ein paar Worte.«
Im Spiegel der stetige Blick des Hundes. Im Meer der untergehende Mond. Am Himmel ein unermesslich weites ausgeklügeltes Räderwerk aus Sternen.
Und in ihrem Herzen regte sich ein Gefühl immenser Verwunderung, dem sie nur widerstrebend nachgab, denn es konnte nicht wahr sein, jedenfalls nicht in irgendeinem bedeutsamen Sinne, dass ihre Nickie zu ihr zurückgekehrt war.
5
Moongirl macht nur in vollkommener Dunkelheit Liebe. Sie ist der festen Überzeugung, dass ihr
Leben durch Leidenschaft bei Licht, als sie noch jünger war, für alle Zeiten an Wert verloren hat.
Demzufolge lässt der schwächste Lichtschimmer um eine heruntergezogene Jalousie herum ihr Verlangen verglühen.
Ein einziges Fädchen Sonnenschein in den Falten zugezogener Draperien bewirkt, dass sich ihre Lust in Sekundenschnelle auflöst.
Licht, das aus einem anderen Raum hereindringt – unter einer Tür, um einen Spalt im Türrahmen herum, durch ein Schlüsselloch –, sticht sie wie eine Nadel und führt dazu, dass sie vor den Berührungen ihres Liebhabers zurückschreckt.
Wenn ihr Blut kocht, lassen selbst die Leuchtziffern einer Nachttischuhr sie frösteln.
Das Leuchtzifferblatt einer Armbanduhr, die winzige Birne eines Rauchdetektors, die leuchtenden Augen einer Katze können ihr einen frustrierten Aufschrei abringen und ihre Libido restlos versiegen lassen.
Harrow denkt an sie als Moongirl , das Mondmädchen, weil er sie sich losgelassen in der Nacht vorstellt, als Silhouette nackt auf einem Bergkamm, wie sie den Mond anheult. Er weiß nicht, welche Bezeichnung ein Psychologe für ihre spezielle Form von Wahnsinn verwenden würde, aber er zweifelt nicht daran, dass sie wahnsinnig ist.
Nie hat er sie Moongirl genannt, es ihr ins Gesicht gesagt. Sein Instinkt sagt ihm, dass es gefährlich, vielleicht sogar tödlich wäre, wenn er das täte.
Bei Tageslicht oder
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