Urangst
Niere und einen beträchtlichen Teil seines Darms eingebüßt.
»Aber ich baue immer noch viel Scheiße«, beteuerte er seinen Freunden.
Seinen Sinn für Humor hatte er offenbar nicht eingebüßt.
Der Fahrer des Pick-up – betrunken, arbeitslos und unversichert – hatte den Zusammenstoß mit zwei abgebrochenen Zähnen, ein paar Schrammen und ohne jede Spur von Gewissensbissen überstanden.
Vor sechs Jahren hatten die Hammersmiths Jerrys Baufirma verkauft, den Erlös auf ein Bankkonto eingezahlt, ihre Ausgaben beträchtlich eingeschränkt und gehofft, wenn sie sparsam genug damit umgingen, würde das Geld für den Rest ihres Lebens reichen. Sie waren jetzt beide zweiundfünfzig.
Da Renata nicht für Jerry sorgen und gleichzeitig eine Stelle annehmen konnte, fürchtete sie, eines Tages ihr Land verkaufen zu müssen. Dabei hatte sie immer mit Ellbogenfreiheit gelebt. Die Vorstellung, Wand an Wand mit Nachbarn zu wohnen, war ihr ein Gräuel.
Amy fuhr an dem einstöckigen Haus vorbei. Das Dach der Veranda und die Pfosten, die es trugen, wurden von Ranken blühender roter Klematis geschmückt. Bei einem Anruf von ihrem Handy aus, während sie unterwegs war, hatte sie in Erfahrung gebracht, dass Renata mit den Geisterhunden auf dem Übungsplatz arbeitete.
Der Zwinger, ein umgebauter Stall, grenzte an einen eingezäunten grünen Rasen. Eine riesige Lebenseiche warf ihren Schatten auf die Hälfte des Grases.
Sechs Golden Retriever saßen oder lagen mit beträchtlichem Abstand zueinander auf dem großen Übungsplatz, die meisten von ihnen im Schatten. Renata saß mitten auf der Wiese auf einer Decke, ein siebter Golden neben ihr.
Während Amy die Heckklappe öffnete und ihre Kids aus dem Geländefahrzeug herausließ, warf sie einen Blick in die
Richtung zurück, aus der sie gekommen war; sie sah am Haus vorbei auf die Landstraße.
Auf der anderen Seite der zweispurigen Asphaltstraße, gegenüber der Einfahrt zum Anwesen der Hammersmiths, hatte in den purpurnen Schatten etlicher Jacarandas, die dicht nebeneinander standen, der Land Rover geparkt, der ihr den ganzen Vormittag gefolgt war.
Als sie das Tor zum Übungsplatz öffnete, führten Fred und Ethel Nickie auf direktem Wege zu Renata, um sich ihre Streicheleinheiten abzuholen und um Hugo, den Golden Retriever an ihrer Seite, zu begrüßen.
Als Amy zu den vier Hunden trat, hielt ihr Renata das Fernglas hin, um das sie am Telefon gebeten hatte.
Durch das Fernglas sah Amy zu den Jacarandas hinüber, stellte es scharf und holte den Land Rover näher heran.
Die Bäume warfen reichlich Schatten und vereinzelt Licht auf die Windschutzscheibe und hatten sich miteinander verschworen, das Gesicht des Mannes zu verbergen – falls es überhaupt ein Mann war –, der da hinter dem Steuer saß.
»Ist es der prügelnde Ehemann?«, fragte Renata.
»Ich kann ihn nicht erkennen. Wahrscheinlich nicht. Ich glaube jedenfalls nicht, dass er so rasch aus dem Gefängnis kommen konnte.«
Amy setzte sich auf die Decke und legte das Fernglas beiseite.
Die sechs Geisterhunde musterten sie interessiert. Keiner von ihnen kam näher, um die Gäste zu begrüßen.
»Wie machen sie sich?«, fragte Amy.
»Besser. Langsam, aber sicher. Wenn es nicht der prügelnde Ehemann ist, wer könnte es dann sein?«
»Vielleicht habe ich einen heimlichen Verehrer.«
»Hat dir jemand anonym Pralinen und Blumen geschickt?«
»Das tun heimliche Bewunderer nicht mehr. Heutzutage entführen sie dich, vergewaltigen dich und töten dich mit Elektrowerkzeugen.«
»Welche Freuden die Revolution doch mit sich gebracht hat.«
16
Vernon Lesley parkte seine Rostschüssel von einem Chevy zwei Kreuzungen von Amy Redwings Bungalow entfernt.
Die Limousine war alt und die Karosserie hätte dringend ausgebessert gehört. Die Polster hatte er mit Isolierband geflickt. Da der Wagen nicht leicht zu reinigen war, machte er sich nie die Mühe, ihn zu waschen.
Lange Zeit war ihm der Chevy peinlich gewesen, aber im Lauf des vergangenen Jahres hatte er ihn nicht ein einziges Mal in Verlegenheit gebracht; in seinem anderen Leben besaß er jetzt nämlich einen Sportwagen im Wert von 150.000 Dollar, der einen Ferrari wie den letzten Schrott aussehen ließ.
Er sparte sich die Mühe, den Wagen abzuschließen. Keiner würde ihn stehlen wollen. Und auch nichts, was darin herumlag.
Da er zuversichtlich war, dass er keine Aufmerksamkeit auf sich lenken würde, ging er direkt auf Amys Haus zu und nahm frech den Weg zur
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