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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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und sie der öffentlichen Einsichtnahme zu entziehen.
    Fasziniert las Vern die Dokumente noch einmal genauer durch als beim ersten Mal. Er hatte den Verdacht, der Name
Cogland sollte eine Flut von Erinnerungen in ihm auslösen, aber das tat er nicht.
    Wenn Amy Redwing während ihres Cogland-Lebens in die Nachrichten gekommen war, konnte es gut sein, dass Vern nichts über sie gelesen oder gehört hatte. Für Nachrichten hatte er sich noch nie interessiert.
    Bevor er Second Life entdeckte, hatte er den größten Teil seiner Freizeit damit verbracht, in Online-Foren Fantasy-Rollenspiele wie Dungeons und Dragons zu spielen. Er hatte eine enorme Menagerie von Monstern erschlagen und kein Verlies hatte ihn lange halten können.
    Vern packte all diese Papiere zu den Fotografien und den Speicherkarten in den weißen Müllsack.
    Es konnte sein, dass Amy Redwing, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß, gelegentlich mit einer Hand unter der Schublade tastete, um sich zu versichern, dass die versteckten Unterlagen noch da waren.
    Vern nahm ein paar leere Blätter aus dem Drucker ihres Computers. Er faltete sie und steckte sie so in den Umschlag, dass sie sich in etwa so anfühlten wie die Originalunterlagen.
    Mit der Messingklammer verschloss er den Umschlag. Aus dem Spender auf ihrem Schreibtisch zog er ein Stück Klebeband von der richtigen Länge und klebte die Klappe wieder so an den Umschlag, wie er ihn vorgefunden hatte, und dann klebte er den Umschlag wieder an derselben Stelle an die Unterseite der Schublade.
    Jetzt musste er nur noch die alten Streifen Klebeband verschwinden lassen. Er rollte sie zu einer Kugel zusammen und ließ sie in den weißen Müllbeutel fallen.
    Vernon hatte zwar das Gästebad hinter der Küche durchsucht, aber das eigentliche Badezimmer, das an ihr Schlafzimmer grenzte, hatte er noch nicht erkundet. Er war besorgt
gewesen, in einem Moment leichtsinniger Großspurigkeit könnte er in Versuchung geraten, trotz aller guten Vorsätze seine übliche Signatur zu hinterlassen.
    Er war ein Profi, er hatte einen Auftrag abzuschließen und er brauchte das Geld für seine Insel voll fantastischer Geschöpfe.
    In ihrem Badezimmer stand der Toilettendeckel offen und legte den Sitz und die Schüssel frei. Er klappte ihn sofort herunter.
    Er nahm den Deckel vom Spülkasten. Manchmal versiegelten Leute Dinge wasserdicht in einem Plastikbeutel und versenkten ihn im Spülkasten der Toilette. Amy Redwing zählte nicht zu diesen Leuten.
    Wenn er die Augen zukniff und in den Spiegel über dem Waschbecken schaute, konnte er Von Longwood sehen. »Gut siehst du aus, Mann«, sagte Vern lächelnd.

19
    Am Donnerstagmorgen um kurz vor neun hörte Brian, wie seine drei Angestellten in den Büros unter seiner Wohnung zur Arbeit erschienen.
    Er hatte bereits eine Voicemail für Gretchen, seine Assistentin, hinterlassen, in der er sie bat, seine Termine für den Donnerstag auf die folgende Woche zu verlegen. Er teilte ihr mit, ihn hätte die Inspiration gepackt, er würde in seiner Wohnung bleiben und zeichnen und wünsche keine Störung.
    Die Inspiration hatte ihn mehr als nur gepackt. Eine einzigartig hartnäckige, ausdauernde Muse – eindringlich und voller Glut – hatte ihn überwältigt und erfüllte ihn mit stiller Spannung. Er arbeitete in einem Zustand der Verzauberung.
    Angeblich wahre Geschichten, die sich um das Übernatürliche drehten, waren ihm nie glaubwürdig erschienen, und doch ahnte Brian jetzt, dass er einem Talent, das größer war als seines, als ausführendes Medium diente. Wenn das, was er fühlte, der Wahrheit entsprach, dann musste diese Erscheinung, die sich seiner bediente, ihm wohlgesonnen sein, denn er hatte sich selten in seinem Leben so glücklich gefühlt.
    Obwohl er ein abgeschrägtes Zeichenbrett unter den Block gelegt hatte, hätten seine Finger inzwischen schmerzen müssen und er hätte Krämpfe in der Hand haben sollen. Er war jetzt schon seit mindestens fünf Stunden mit immenser Konzentration bei der Sache.

    Als seien die Gesetze der Physik und der Physiologie aufgehoben, wurde seine Hand nicht steif, und er empfand nicht den geringsten Schmerz. Je länger er zeichnete, desto fließender erschienen die Bilder auf dem Papier.
    Die Augen der Hündin … Brian hörte auf, die übrige Augenpartie zu zeichnen; er erlag vollständig der Faszination der glitzernden Krümmungen von Lid zu Lid, vom inneren zum äußeren Augenwinkel, dem geheimnisvollen Spiel des Lichtes auf und innerhalb der

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