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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Hornhaut, der Iris, der Linse und der Pupille.
    Auf jeder neuen Zeichnung unterschied sich der Lichteinfall von dem der früheren Versionen. Das Licht traf die Augen aus jeweils leicht veränderten Einfallswinkeln, mal indirekter, mal direkter.
    Aus seinem Bleistift flossen größere und immer größere Augen, die paarweise ganze Blätter füllten.
    Dann begann er, nur noch ein Auge pro Blatt zu zeichnen, und vergrößerte den Maßstab, um eine noch detailliertere Studie der Muster des intraokularen Glanzes anzufertigen.
    Als er das nächste Mal auf die Uhr sah, stellte er erstaunt fest, dass bereits eineinhalb Stunden vergangen waren, seit er gehört hatte, wie seine kleine Belegschaft im Parterre zur Arbeit eingetroffen war. Dennoch legte er den Bleistift nicht zur Seite.
    Obwohl die elliptischen Ränder eines Auges den Gegenstand der Zeichnung weiterhin umrahmten und obwohl die Iris und die Pupille noch zu erkennen waren, begannen die Mysterien von Licht und Schatten jede einzelne Komposition in einem Ausmaß zu beherrschen, dass die Zeichnungen nahezu abstrakt wirkten.
    Bald begann Brian Hieroglyphen in diesen zarten und doch komplexen Mustern zu sehen, eigenartige Symbole,
die loderten und glühten, wenn man aus dem Augenwinkel einen Blick darauf warf. Sowie er versuchte, sie direkt zu betrachten, verblassten sie jedoch in einem grauen Dunst oder zerstreuten sich in strahlend hellen Nebeln.
    Auch wenn sich ihm die Bedeutung entzog, wuchs seine Überzeugung, dass diese Bilder, ganz gleich, welchem Quell sie entsprangen – sei es nun seine Intuition oder das Werk eines anwesenden Phantoms, das seine Hand führte –, eine verborgene Wahrheit enthielten und ihn zu einer erschütternden Erkenntnis führen würden.
    Er riss ein weiteres Blatt vom Block und legte es zur Seite. Er hatte schon mindestens ein Drittel des Zeichenblocks aufgebraucht. Der Tisch war mit mehreren Lagen von Zeichnungen bedeckt.
    Erst nachdem seine Hand eine Weile auf dem frischen Blatt gearbeitet hatte, merkte er, dass er zu einer noch tieferen Erkundung des hypnotischen Blickes der Hündin geführt wurde. Statt lediglich die Schönheit der dunklen und doch strahlenden Hundeaugen zu porträtieren, wie sie sich von außen darstellten, führte Brians emsiger Bleistift ihn in diese Architektur von Schatten und Schimmer hinein , nicht in die Substanz des Augapfels selbst, sondern in die Krümmungen und das Geflecht von Schatten und Licht innerhalb der Hornhaut, der Iris, der Pupille und der Linse.
    Das war ein Blickwinkel, der für ihn als Künstler niemals denkbar gewesen wäre. Das Auge als erkennbarer Gegenstand verschwand und es blieben nur die einfallenden Lichtstrahlen und die begleitenden Schatten auf ihrem Weg durch die sich überlagernden Schichten des Auges. Die Zeichnung wurde vollständig abstrakt, gewann jedoch an quälender Schönheit, wurde geradezu göttlich. Hier war Genie am Werk und Brian wusste, dass er kein Genie war.

    Er war in einen anderen Bewusstseinszustand übergetreten, in eine Art Trance, einen Freudentaumel.
    Zeitweilig hätte er schwören können, dass er die Spitze des agilen Bleistifts durch das Papier dringen sah, ohne es zu durchstechen, um sein Graphit jenseits des Blatts zu deponieren, als baute er ein Bild auf, das durch eine unendliche Anzahl von Oberflächen tiefer und immer noch tiefer vordrang.
    Jeder gute Künstler kann die Illusion der Dreidimensionalität erschaffen; aber als diese Muster zahlloser Blütenblätter immer raffinierter wurden, blühten sie ihm entgegen und luden ihn gleichzeitig ein, mit ihnen in die Tiefe zu fallen. Sein Bleistift schien ein Schlüssel zu Dimensionen jenseits der dritten zu sein.
    Die bedeutsamen Hieroglyphen, die er in die Zeichnung eingebettet schon vor einiger Zeit entdeckt hatte, begannen in seiner Vorstellung, wenn nicht sogar tatsächlich, zu glühen, diesmal allerdings leuchtender als zuvor. Dann, als die Zeichnung um ihn herum zu erblühen schien, wurde er sich eines Geheimnisses in ihrem Mittelpunkt bewusst, eines schimmernden Erstaunens, das letzten Endes jedes Verständnis überschreiten könnte, das niemals angemessen gezeichnet werden konnte, und doch arbeitete sein Bleistift unermüdlich weiter und immer weiter …
    Durch das Zimmer fegte ein so grässliches Geräusch, dass Brian den Bleistift auf den Tisch schleuderte, aufsprang und dabei seinen Stuhl umstieß.
    Das war nicht nur ein Laut, sondern viele laute Geräusche gleichzeitig: ein Zischen, ein

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