Urangst
Einrichtung um.
Ein Amtsveterinär namens Luther Osteen führte sie aus dem Empfangsbereich hinaus, an den Büros des Tierheims vorbei und in die Zwinger hinter dem Gebäude.
Kleine, aber saubere Käfige reihten sich auf beiden Seiten eines betonierten Durchgangs aneinander und in allen waren Hunde untergebracht. Größere Tiere hatten jeweils einen Käfig für sich. Die kleineren Hunde mussten sich manchmal einen Käfig miteinander teilen.
Einige waren so niedergeschlagen, dass sie dalagen, ins Leere starrten und nicht einmal die Köpfe hoben.
Die meisten kamen an die Türen ihrer Käfige. Manche wirkten elend und hoffnungslos, aber andere wedelten mit den Schwänzen und erweckten den Eindruck, als schöpften sie zaghaft Hoffnung.
Gelegentlich bellte einer der kleineren Hunde, aber die meisten Insassen verhielten sich so ruhig, als seien sie sich
dessen bewusst, dass ihr Los – Adoption oder Tod – nicht zuletzt von ihrem Betragen abhing.
Bei der Mehrheit handelte es sich um Mischlinge. Etwa ein Viertel schien reinrassig zu sein. Jeder Hund hier war schön, jeder auf seine eigene Art, und für sie alle lief die Uhr ab.
Da die Anzahl ausgesetzter und misshandelter Hunde die Mittel und Unterbringungsmöglichkeiten sämtlicher Tierschützer überschritt, musste sich jede Organisation auf eine einzige Rasse beschränken.
Die Heime arbeiteten hart dafür, auch die gemischtrassigen Hunde und die Promenadenmischungen unterzubringen. Dennoch mussten jedes Jahr Tausende von ihnen eingeschläfert werden.
Amy wäre am liebsten vor jedem Käfig stehen geblieben und hätte jeden einzelnen Hund gekrault und mit ihm geschmust, aber es wäre grausam gewesen, ihnen Hoffnungen zu machen, und sie selbst hätte es nicht verkraftet, sie zurückzulassen, nachdem sie ihre Bekanntschaft gemacht hatte. Sie wäre am Boden zerstört gewesen.
Luther Osteen hatte zwei Hunde für sie in Betracht gezogen. Der erste war ein reinrassiger Golden Retriever, eine Hündin namens Mandy. Sie war ein bezauberndes Mädchen, neun Jahre alt, das Gesicht vom Alter nahezu weiß.
Mandys Besitzer waren in den Ruhestand gegangen. Jetzt wollten sie ein paar Jahre lang durch Europa reisen. Für Mandy war in dieser veränderten Lebenssituation kein Platz vorgesehen.
»Sie ist ein bisschen arthritisch«, sagte Luther, »und für ihre Zähne ist nicht allzu gut gesorgt worden, aber sie macht es gut und gern noch ein paar Jährchen. Für uns ist es schwierig, einen älteren Hund wie sie unterzubringen. Wahrscheinlich hat sie die Liebe, die sie im Lauf der Jahre
empfangen hat, zehnfach zurückgegeben, und daher wäre es nur gerecht, wenn sie die Chance bekäme, mit jemandem zusammenzuleben, der ihr einen besseren Handel anzubieten hat.«
»Wir nehmen sie«, sagte Dani.
Der zweite verwaiste Hund war ein Rüde, teils Golden Retriever, teils etwas anderes, das sich nicht so leicht identifizieren ließ, vielleicht ein australischer Hütehund. Er war auf einem Industriegelände frei herumgelaufen, mit einem Halsband ohne Hundemarke.
»Es sieht so aus, als sei er dort ausgesetzt worden«, sagte Luther. »Er muss sich ein paar Wochen lang allein durchgeschlagen haben, sonst wäre er nicht so dürr.«
Der namenlose Hund stand an der Käfigtür und zwängte seine schwarze Schnauze durch eine der Lücken des Drahtgeflechts.
»Was meinen Sie, wie alt er ist?«, fragte Dani.
»Ich denke mir, er ist vielleicht drei oder vier. Keine offenkundigen Krankheiten.«
»Kastriert?«, fragte Amy.
»Nein. Aber wenn ihr ihn nehmt, bezahlen wir die Arztrechnung. Er hat ein paar Zecken, aber nicht viele.«
Es war schon schwierig genug, Jahr für Jahr Hunderte von reinrassigen Hunden gut unterzubringen. Für die Mischlinge ließ sich noch schwerer ein endgültiges Heim finden.
Sein Schwanz war ständig in Bewegung. Die Ohren waren angehoben. Die braunen Augen flehten.
»Der Junge ist stubenrein«, sagte Luther, »und er kennt ein paar grundlegende Befehle wie Sitz! und Platz! «
Mit einer gewissen Erziehung war der Hund leichter unterzubringen, und daher sagte Amy erleichtert: »Wir nehmen ihn.«
»Kümmert ihr euch um den Papierkram«, sagte Luther. »Ich bringe sie beide zu euch raus.«
Als sie den Rückweg zwischen den Reihen von Käfigen antraten, nahm Dani Amy an der Hand. Das tat sie immer. Ihre Augen waren voller unvergossener Tränen, die Amy sah, bevor ihr selbst alles vor den Augen verschwamm.
Auf dem Hinweg an all diesen Hunden vorbeizugehen, von denen die
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