Urangst
beantrage überall Zuschüsse.«
»Aber die Anzahl der Hunde, die gerettet werden müssen, steigt direkt proportional zu den Geldsummen, die du auftreibst.«
»Bisher war es so, das stimmt schon, aber es ist keine ökonomische Regel und heißt noch lange nicht, dass es zwangsläufig so bleiben wird. Irgendwann wird sich zwischen dem Bedarf und den verfügbaren Mitteln ein Gleichgewicht einpendeln. Die Leute können doch nicht bis in alle Ewigkeit so viele Hunde wegwerfen.«
»Sieh dich um, Mädchen. Die Welt war noch nie niederträchtiger. Es wird eher schlimmer werden.«
»Nein. Ich habe schon schlimmere Zustände erlebt.«
Amy sprach selten von ihrer Vergangenheit und immer nur mit größter Vorsicht. Manchmal fragte sie sich, ob Freunde sie schlicht und einfach als einen zurückhaltenden Menschen akzeptierten oder ob sie den Verdacht hegten, sie hätte sorgsam gehütete Geheimnisse.
Das glühende Interesse in Danis Augen und die Neugier, die aus jedem ihrer Gesichtszüge sprach, beantworteten diese Frage.
Als Amy von sich aus kein weiteres Wort hinzufügte, sagte Dani: »Du solltest dir langsam mal Gedanken darüber machen, einen Job anzunehmen.«
»Das ist mein Job. Die Hunde.«
»Es mag ja sein, dass sie deine Leidenschaft sind. Vielleicht sind sie sogar deine Berufung. Aber ein Job ist das nicht, Mädchen. Für einen Job wird man bezahlt. «
»Ich kann nichts anderes, Dani. Ich tue das jetzt schon seit etwa zehn Jahren. Ich bin für jeden anderen Job unbrauchbar. «
»Das glaube ich nicht. Du bist klug, du hast Elan …«
»Ich bin ein verzogenes, reiches kleines Mädchen, das von einer Erbschaft lebt.«
»Reich bist du nicht mehr, wenn du es überhaupt jemals warst, und was verzogen ist, weißt du nicht einmal.« Dani schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich wie eine Schwester, Amy.«
Amy nickte. »Mir geht es genauso.«
»Vielleicht wirst du dich eines Tages mir gegenüber öffnen, wie es eine Schwester täte.«
»Ich fürchte, ich bin ein offenes Buch. Da gibt es keine sieben Siegel.« Sie küsste Dani auf die Wange. »Wahrscheinlich bin ich noch nicht mal ein Buch, sondern bloß ein Flugblatt.«
Danis Worte trieften vor Sarkasmus, als sie sagte: »Ja, klar.«
»Sag Mookie, ich bin ihm dankbar dafür, dass er Janet Brockmans Fall übernimmt.«
Während sie die Fahrertür ihres Geländewagens öffnete, sagte Dani: »Was hat es mit dem kleinen Mädchen auf sich?«
»Theresa? Ich weiß nicht. Sie könnte eine Form von Autismus haben, aber vielleicht ist sie auch nur traumatisiert von … den Verhältnissen, die bei ihr zu Hause geherrscht haben.«
»Mookie sagt, im Büro sei etwas ganz Seltsames passiert. «
Amy hob eine Hand zu dem Medaillon, das sie umhängen hatte. Der Anhänger enthielt eine Kamee, die aus Speckstein geschnitzt war, aber anstelle des klassischen Profils einer Frau war ein Golden Retriever abgebildet. Sie trug nie anderen Schmuck und besaß auch gar keinen.
»Das Mädchen geht direkt auf Baiko zu«, sagte Dani, »setzt sich zu ihm auf den Fußboden und streichelt ihn.«
In der vergangenen Nacht, als Amy das schlafende Kind in Lottie Augustines Haus getragen hatte, hatte Theresa die Hand nach dem Medaillon ausgestreckt und es berührt.
»Später, als sie das Büro verließ, sagt sie zu Mookie: ›Kein Krebs mehr.‹«
Der Wind, hatte Theresa ganz leise gesagt, während sie das Medaillon betastet hatte. Der Wind … das Klangspiel.
»Mookie hatte nicht erwähnt, dass Baiko gerade eine Chemo hinter sich hat. Er hatte kein Wort über den Krebs verloren.«
»Vielleicht hat Lottie es ihnen erzählt«, legte Amy ihr nah.
»Das ist doch ziemlich unwahrscheinlich, findest du nicht?«
Vor zwanzig Jahren hatte Lottie ihr einziges Kind an den Krebs verloren. Fünf Jahre später war ihr Mann an derselben bösartigen Krankheit gestorben. Als sei Krebs das Geheimnis und der wahrste aller Namen des Teufels, der ihn in einer Schwefelwolke heraufbeschwor, wenn man das Wort auch nur flüsterte, sprach Lottie nie von der Krankheit.
»Das Mädchen sagt zu Mookie: ›Kein Krebs mehr‹, und dann sagt sie: ›Er wird nicht zurückkommen.‹«
Der Wind … das Klangspiel.
»Amy?«
»Sie ist ein eigenartiges Kind«, sagte Amy.
»Mookie sagt, sie hat beunruhigende Augen.«
»Ich fand sie wunderschön.«
»Ich habe sie bisher noch nicht selbst gesehen.«
»Wunderschön, aber durch leidvolle Erfahrungen lädiert«, sagte Amy.
»Lass uns hoffen, dass sie Recht
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