Urangst
nicht erinnern, jemals zuvor einen solchen Traum geträumt zu haben«, sagte Brian.
Als Cora, Angela und John den alten Pontiac erreichten, prasselte ohrenbetäubender Regen mit solcher Kraft auf sie nieder, dass die Tropfen auf der Haut brannten, von der harten Erde abprallten und hoch in die Luft geworfen wurden.
»Ich war kein Teil des Traums, ich war das Publikum. Ich habe mit niemandem gesprochen, auf niemanden eingewirkt und niemand hat mich gesehen. Und doch war ich mit all meinen Sinnen in den Traum eingetaucht. Ich habe gefühlt, wie die Regentropfen auf meiner Haut geplatzt sind, und ich habe ihre Nässe gespürt, kalter Regen für eine so warme Nacht. Schnipsel von grünen Blättern, die von
Bäumen abgerissen worden waren, wurden mir ständig ins Gesicht geweht und klebten auf meiner Haut.«
Hinter dem Getöse des Regens erhob sich ein gewaltigerer Laut, nicht Donner, sondern ein anhaltendes Brausen, das beständig an Lautstärke zunahm, als ratterten zwei Dutzend Züge vorüber.
»Die Wand des Tornados, die wirbelnde Wand«, sagte Brian, »dort draußen im undurchdringlichen Dunkel verborgen, nähert sich. Sie ist zwar noch nicht direkt über uns, aber nicht mehr weit weg.«
Ihr Sturmkeller war zwanzig Meter vom Haus entfernt und Cora, die in Wichita Erfahrung mit diesen Dingen gesammelt hatte, drängte die beiden, den Wagen zu vergessen und schleunigst im Sturmkeller Schutz zu suchen.
Für den Fall, dass Angela das Baby im Sturmkeller gebären würde, wollte John saubere Handtücher, medizinischen Alkohol zum Sterilisieren des Messers, mit dem er die Nabelschnur durchschneiden würde, und noch ein paar andere Kleinigkeiten holen. Cora wollte ihm ausreden, dass er noch einmal ins Haus zurückging, doch er sagte, er bräuchte nur eine Minute, nicht mal eine Minute, er sei sofort wieder da.
Brian sagte: »Ich bin mit Mom und Grandma zu einer Böschung gerannt. Das Gras unter den Füßen war glitschig, nicht wie in einem Traum, Amy, sondern ungeheuer real. Geräusche, Farben, Gerüche. In den Hang war ein offener steinerner Verbindungsgang gebaut, an dessen Ende eine Tür in den Sturmkeller führte.«
Brian hatte sich umgedreht und einen Blick auf das Haus geworfen und zu seinem Erstaunen waren die Fenster noch hell erleuchtet gewesen.
Plötzlich fing es an zu blitzen, keine einzelnen Blitzstrahlen, sondern ganze Bündel, die in Kaskaden vom Himmel herabstürzten. Keine der üblichen gezackten Blitze, die auf
Stufen durch die Nacht hinabgeschritten kamen, sondern breite, wogende Gerten aus Kettengliedern, die durch das Dunkel peitschten.
Diese aufflammenden Himmelslichter zeigten, dass der Wirbelsturm direkt über dem Haus war, über ihm aufragte, eine riesige brodelnde schwarze Wand, wie eine leibhaftige Bestie, so amorph wie jedes mythische Monster, die sich aufrichtete und sich höher und immer höher erhob, bis sie so hoch in die Nacht hinaufreichte, dass man das obere Ende nicht mehr sehen konnte.
Alle Fensterscheiben zersprangen gleichzeitig. Das Haus löste sich in seine Bestandteile auf. Der Trichter des Tornados schien sämtliche Glasscherben, jeden Holzsplitter, jeden Nagel und auch John McCarthy in sich aufzusaugen, denn seine Leiche wurde nie gefunden.
»Meine Mutter und meine Großmutter waren in den Keller gelaufen und hatten die Tür hinter sich geschlossen«, sagte Brian. »Ich war draußen und habe beobachtet, wie ein Baum mitsamt seinen Wurzeln nach oben gesogen wurde – was für ein Geräusch das war, ein knarrender Schrei –, und dann war ich irgendwie gemeinsam mit ihnen im Schutzkeller. «
Im letzten Moment hatte Cora sich umgeschaut, hatte gesehen, wie das Haus vom Wirbelwind ergriffen worden war … und von ihrem Schwiegersohn nirgends eine Spur. Sie hatte das Chaos ausgesperrt und die sechs schweren Riegel, die jede Kante der Tür an den Seiten und am oberen Ende des Rahmens sowie an der Schwelle festhielten, mit großem Kraftaufwand vorgeschoben.
Wind und Donner vereinigten sich und gebaren Zehntausende von lärmenden Nachkömmlingen. Noch vor kurzem hatte Brian ein Geräusch gehört, das nach zwei Dutzend ratternden Zügen klang, aber jetzt strömten alle Züge
der Welt auf einem einzigen Schienenknotenpunkt zusammen, der sich direkt über ihrem Bunker befand.
An diesem kleinen Zufluchtsort, der nur vom Licht einer Taschenlampe erhellt wurde, übertrugen die Decke und die Seitenwände Vibrationen der gestraften Erde über ihnen, Staub schwebte herab und die
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