Urangst
rational.«
Er holte tief Luft und atmete dann langsam aus. »Was ist, wenn … okay, was ist, wenn ich meinetwegen glaube, dass Antoine, der blinde Hund, Autofahren kann?«
»Der Hund ist nicht blind.«
Brian legte seine Hände wieder auf ihre Schultern. »Es ist nicht nur das Bett, Amy. Es ist die unheimliche Lebhaftigkeit des Traums, diese Klarheit und all diese Einzelheiten, wie im echten Leben, und dass mir die Nacht meiner Geburt vorgeführt worden ist. Dazu gehört auch, wie diese Zeichnungen durch mich hindurch geflossen sind, wie sie sich einfach aus dem Bleistift ergossen haben. Und die Halluzinationen – dieses Geräusch, diese Schatten –, nur dass es keine Halluzinationen waren. Amy, hier geschieht etwas.«
Sie hob eine Hand zu seinem Gesicht und strich über seine Bartstoppeln. »Hast du heute schon etwas gegessen? «
»Nein. Ich habe eine Dose Red Bull getrunken. Ich habe auch gar keinen Hunger.«
»Liebling, warum mache ich dir nicht etwas zu essen?«
»Ich halluziniere nicht, weil ich Hunger habe, Amy. Ich wünschte, du hättest Grandmas Augen sehen können, dieses Zwinkern .«
»Ich koche Pasta. Du hast doch noch ein Glas von diesem köstlichen Pesto?«
Brian beugte sich zu ihr vor und kniff die Augen zusammen. Er konnte deutlich erkennen, dass sie den Blick von ihm abwenden wollte, es aber nicht wagte.
»Dir ist auch etwas zugestoßen«, sagte er. »Du hast mir wirklich etwas zu erzählen. Ich dachte es mir schon. Was ist passiert?«
»Nichts.«
»Oh doch, es ist etwas passiert.«
»Nur eine Kleinigkeit«, sagte sie beklommen.
»Was für eine Kleinigkeit?«
»Es liegt nur daran, wie Nickie ist.«
»Und wie ist sie?«
»Wachsam. Weise. Geheimnisvoll. Ich weiß es nicht. Tatsächlich ist es mir noch nicht einmal neu. Manchmal gerät man an einen Hund und denkt sich: Das ist eine alte Seele. «
»Komm schon, Amy. Was noch?«
»Nichts. Wirklich. Nur das mit den Pantoffeln.«
Sie betastete das Medaillon mit der Kamee, das sie um den Hals hängen hatte. Als sie sah, dass es ihm auffiel, ließ sie ihre Hand sinken.
»Das mit den Pantoffeln? Erzähl es mir.«
»Das kann ich nicht. Nicht jetzt. Es ist nichts weiter. Es kann nicht mehr dahinterstecken.«
»Jetzt bin ich ziemlich aufgeregt«, sagte er.
Sie warf einen Blick in Richtung Flur und sagte: »Wo stecken die Kids?«
Als sie sich von ihm abwenden wollte, hielt er sie am Arm fest. »Warte. Dass ich auf einem frisch gemachten Bett aufgewacht bin, ist nicht das, was ich dir eigentlich sagen wollte. Das Wesentliche habe ich dir noch gar nicht gesagt. «
»Was – hat Grandma etwa auch noch deine Wäsche gewaschen? «
Er fühlte sich, als lockere sich das Herz in seiner Brust und glitte von Sekunde zu Sekunde tiefer.
»Es wird mir schwerfallen. Mir ist schon schlecht, wenn ich nur daran denke, wie ich es dir sagen soll. Es ist etwas Wundervolles und Furchtbares zugleich.«
Eine Veränderung in ihren Augen, die Festigkeit und Klarheit ihres Blicks, ließ ihn vermuten, sie wüsste, dass er sie brauchte wie nie zuvor, und dass sie bereit war, für ihn da zu sein.
Er drückte ihr einen zarten Kuss auf die Stirn und seine Lippen lagen noch auf ihrer Haut, als er sagte: »Ich liebe dich.«
Mit gesenktem Kopf und ohne aufzublicken, als wären diese Worte so feierlich wie ein Gebet, sagte sie: »Ich liebe dich auch.«
An diesem Punkt waren sie schon vor Monaten angelangt, aber seither keinen Schritt weitergekommen. Er hatte angenommen, der nächste Schritt, der ihm ungeheuerlich überfällig erschien, würde der Vollzug sein, das Eingehen einer körperlichen Bindung.
Niemand vor ihr hatte ihn jemals mit so erlesenem Charme in seiner Erwartungshaltung verharren lassen.
Jetzt begriff er, dass die körperliche Vereinigung nie der nächste Schritt gewesen war, dass sie es nicht hätte sein können, nicht hätte sein sollen, nicht hätte sein dürfen . Der nächste Schritt musste die Enthüllung sein.
»Komm mit«, sagte er und führte sie in sein Arbeitszimmer.
Alle drei Hunde erwarteten sie dort. Sie lagen so still nebeneinander, als wüssten sie – oder als wüsste einer von ihnen –, dass es hier in diesem Zimmer zu der schwersten Prüfung kommen würde, die die Beziehung zwischen Brian und Amy bestehen musste.
Im Arbeitszimmer standen zwei Bürostühle mit Rollen für die Gelegenheiten bereit, bei denen einer seiner Angestellten aus dem Büro im Parterre heraufkam, um hier mit ihm zu arbeiten. Er rollte beide Stühle
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