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Urban Gothic (German Edition)

Urban Gothic (German Edition)

Titel: Urban Gothic (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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wollte Kerri weinen.
    Also tat sie es.
    Heiße Tränen kullerten ihr übers Gesicht und tropften von ihrem Kinn auf den Boden des Tunnels. Ihre Schultern und ihr Kopf bebten, doch sie gab keinen Mucks von sich und weinte stattdessen in beängstigender Stille. Brett berührte wieder ihr Fußgelenk. Schließlich versiegten die Tränen. Kerri holte tief Luft und entspannte ihren Körper. Die Augen brannten, das Gesicht fühlte sich heiß, die Haut zu straff gespannt an. Irgendwo in den hinteren Nischen ihres Verstands tauchte erneut die Erinnerung an Tylers Tod auf. Hastig verdrängte sie die Bilder, weil sie fürchtete, endgültig die Fassung zu verlieren, wenn sie abermals in Tränen ausbrach. Aber die Vision wirkte nach wie ein endloses Echo von Erlebnissen, die man besser vergaß.
    Sie harrten noch einige Minuten lang aus. Dann brach Brett das Schweigen.
    »Was jetzt?«, flüsterte er.
    Ohne etwas zu erwidern, deutete Javier nach vorn. Noch langsamer, noch vorsichtiger als zuvor robbten sie weiter. Sie fürchteten sich davor, auch nur das geringste Geräusch zu verursachen. Im Gang unter ihnen blieb es still. Keine Schritte, keine wirren Schreie, keine zufallenden Türen. Ratten kratzten und wuselten tief in den Mauern, und irgendwann senkte sich Kerris Handfläche auf einen Haufen winziger, harter Mausperlen. Sie warnte Brett, damit er den Kot nicht in die Wunden bekam. Es ließ sich unmöglich abschätzen, wie viele Krankheitserreger sich in den Ausscheidungen tummelten.
    Schließlich stoppte Javier, und die anderen taten es ihm gleich. Sie lauschten, aber es herrschte nach wie vor Stille im Haus.
    »Vor uns geht’s nicht weiter«, flüsterte er. »Hier ist wieder eine Falltür. Ich mach sie auf.«
    Kerri hörte das Knarren von Scharnieren. Dann strömte plötzlich Licht in den Tunnel. Sie zuckte zusammen und schirmte die Augen mit einer Hand ab. Kleine Pünktchen tänzelten durch ihre Sicht.
    »Wir sind auf der anderen Seite der Barriere«, meldete Javier. »Sie haben die Beleuchtung im Gang wieder eingeschaltet. Ihr bleibt hier. Ich seh mich mal um.«
    Mit gegen das Licht zusammengekniffenen Augen packte ihn Heather am Knöchel. »Nicht.«
    »Ich muss, Heather. Wenn da unten jemand ist, kann ich denjenigen vielleicht überwältigen, bevor die merken, dass wir uns aus der Falle befreit haben. Oder es gelingt mir, sie von euch wegzulocken.«
    »Das ist verrückt.«
    »Nein, verrückt ist es, mitten in einem heruntergekommenen Viertel auf ein verwahrlostes Haus im viktorianischen Stil zu stoßen, in dem es von kranken Arschlöchern wimmelt, die Unschuldigen Fallen stellen und sie töten wollen. Und jetzt bleibt hier und verhaltet euch ruhig.«
    Das Licht im Tunnel wurde matter, als sich Javier durch die Falltür zwängte. Als er auf dem Boden landete, schien es in dem beengten Schacht umso heller zu werden. Die grellen Strahlen verursachten Kopfschmerzen bei Kerri.
    »Javier«, wisperte Heather. »Siehst du was?«
    Seine Antwort bestand aus einem zornigen Zischen. Heather verstummte. Kerri lauschte, wie Javier den Flur entlangschlich. Sie merkte seinen Schritten an, dass er versuchte, sich verstohlen fortzubewegen, trotzdem konnte sie ihn hören. Kerri fragte sich, ob das auch für andere Beobachter galt. Schließlich kehrten seine Schritte zurück.
    »Ich glaube, die Luft ist rein«, rief er gedämpft in den Schacht. »Keine Spur von Noigel oder sonst jemandem. Wir sind in einem anderen Teil des Hauses, aber in der Nähe der Stelle, an der wir in den letzten Korridor gegangen sind. Kommt runter, nur seid um Himmels willen leise dabei.«
    Heather kam seiner Aufforderung als Erste nach, gefolgt von Kerri. Javier half beiden aus dem Tunnel. Dann unterstützten sie zu dritt Brett beim Abstieg. Sein Zustand entsetzte Kerri. In der künstlichen Beleuchtung wirkte er mehr tot als lebendig. Er schwankte im Stehen und lächelte matt.
    Dann wurde Kerri klar, dass es sich nicht um ein Lächeln, sondern um eine Grimasse handelte. Sein Gesicht wirkte blass, unter seinen Augen prangten dunkle Ringe. Seine verletzte Hand war geschwollen und blau angelaufen, sein gesamter Arm von Blut durchtränkt, abgesehen von einigen Stellen, an denen Schweiß es abgewaschen hatte. Trotz des beschwerlichen Kriechens durch den Schacht über ihnen schwitzte Brett als Einziger. Kerri fragte sich, ob das ein Indiz für einen Schockzustand darstellte, und falls ja, was sie dagegen unternehmen konnten, außer ihm so schnell wie möglich

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