Urban Gothic (German Edition)
wie wir’s eben tun? Habt ihr’s nicht satt, nichts zu unternehmen, um etwas dran zu ändern? Das ist unsere Chance, es zu tun – eine echte Chance, nicht der Quatsch, von dem die Politiker ständig labern.«
Dookie und die anderen schienen über Leos Worte nachzudenken, aber Markus blieb unerbittlich. »Ich geh in kein Haus, in dem es spukt«, beharrte er. »Keine Chance. Steck’s dir in den Arsch.«
»Woher weißt du, dass es dort spukt?«, forderte ihn Leo heraus. »Hast du je einen Geist durch ein Fenster zu dir rausschauen sehen? Oder je Kettengerassel und so ’n Krempel gehört? Nein? Ich auch nicht. Und auch sonst niemand, den wir kennen. Es ist genau, wie Mr. Watkins gesagt hat – niemand weiß wirklich, was da drin abläuft. Wir wissen nur, dass man uns sagt, wir sollen davon wegbleiben, weil Menschen, die reingehen, nicht wieder rauskommen. Und normalerweise sind das Crack-Junkies, Fixer oder Obdachlose. Keinen kümmertʼs, wenn die verschwinden, richtig? Nur diesmal gehtʼs nicht um sie. Diesmal ist es jemand, den man vermissen wird. Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn rauskommt, dass diese weißen Kids weg sind und wir sie als Letzte lebend gesehen haben? Das macht uns zu Hauptverdächtigen.«
Markus starrte auf den rissigen Asphalt und runzelte konzentriert die Stirn. Leo sah seinem Freund an, dass er darüber nachdachte.
»Ich denke, du hast recht«, räumte Chris ein. »Aber das ändert nichts daran, dass wir immer noch nicht wissen, was da drin vorgeht. Klar, vielleicht sind es keine Geister, aber was, wenn es irgendein durchgeknallter Serienmörder ist? So wie der Irre, der auf der Interstate 83 die Leute abmurkst? Hast du das in den Nachrichten gesehen?«
»Der kann’s nicht sein«, warf Jamal ein. »Die Interstate 83 ist weit weg. Unten in der Nähe von Maryland.«
Markus schaute auf und wirkte verwirrt. »Ich dachte, die 83 ist die, die rauf nach State College führt.«
»Nein«, stellte Jamal richtig. »Das ist die 81. Die Interstate 83 führt von Baltimore nach Harrisburg.«
»Haltet doch alle mal die Schnauze!« Leo bedachte sie mit einem finsteren Blick. »Wir kommen hier total vom Thema ab. Fakt ist, dass du recht hast, Chris. Wir wissen nicht, was da drin ist. Und wir sollten es wissen. Immerhin leben wir hier. Es ist unsere Verantwortung, es herauszufinden. Wer weiß? Vielleicht ist es nichts weiter als ein morscher Fußboden, durch den im Lauf der Jahre eine Menge Menschen abgestürzt sind. Oder vielleicht ist es ein Serienmörder. Tatsache ist, wir werdenʼs nie erfahren, wenn wir nicht nachsehen. Aber erst brauchen wir Schießeisen.«
Mr. Watkins’ Augen weiteten sich. Sein Mund klappte auf und seine Zigarette fiel zu Boden.
»Schießeisen«, platzte er hervor. »Wofür zum Henker braucht ihr Schießeisen?«
»Wenn ich da reingehe«, sagte Leo im selben Tonfall, den er bei seinem kleinen Bruder verwendete, »dann will ich vorbereitet sein. Ich bin nicht dumm. Falls sich die Cops je dazu herablassen, hier aufzukreuzen, glauben Sie, die würden ohne Waffen in das Haus gehen?«
Seufzend kramte Mr. Watkins seine zerknitterte Zigarettenpackung hervor, schüttelte einen weiteren Glimmstängel heraus, steckte ihn sich in den Mund und zündete ihn an. Gleich darauf spuckte er die Zigarette wieder aus.
»Verdammt noch mal, ich hab den Filter angezündet. Sieh nur, wozu du mich mit deinem albernen Gerede über Schießeisen treibst.«
Leo und die anderen schwiegen. Sie beobachteten den älteren Mann nur und warteten.
Mr. Watkins schüttelte den Kopf. »Hört zu, lasst mich zuerst noch einmal bei der Notrufzentrale anrufen. Diesmal melde ich einen Brand. Dann sollte schneller jemand aufkreuzen.«
Leo musterte ihn zweifelnd. Nun, wo er eine Entscheidung getroffen hatte, konnte er es kaum erwarten, loszulegen. »Wie lang wird das dauern?«
Bevor Mr. Watkins antworten konnte, ergriff Dookie das Wort. »Yo, ich hab’s! Hört euch das an. Ich weiß, wie wir sie herkriegen. Wir stecken das verfickte Haus in Brand. Wenn wir das tun, kommen sie sofort angerannt.«
Leo, Chris, Jamal und Mr. Watkins starrten ihn wortlos an. Markus streckte die Hand aus und schlug ihm kräftig auf den Hinterkopf.
»Aua ...« Schmollend rieb sich Dookie die Stelle und schleuderte seinem Freund einen mürrischen Blick entgegen. »Wofür zum Geier war das denn?«
Markus schlug ihn erneut, diesmal nicht ganz so fest. »Wir können das Haus nicht in Brand stecken, du dämlicher Motherfucker. Da drin
Weitere Kostenlose Bücher