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Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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versuchte ich, ein Buch für den Englischunterricht zu lesen, und machte mich dann an den Berg von Aufgaben, die Mom, obwohl es Sonntag war, Charity und mir auferlegt hatte. Doch sosehr ich es auch versuchte, ich konnte die Ruhelosigkeit in meinem Körper nicht abschütteln. Ich wollte aus dem Haus raus. Ich wollte zu Daniel.
    Ich wollte rennen.
    Das war eines der Dinge, an die ich mich inmitten dieser ganzen Mit-dem-Fluch-infiziert-sein-Nummer noch nicht gewöhnt hatte – das Bedürfnis zu rennen. Ich war nie eine Läuferin gewesen. Tatsächlich hatte unser Sportlehrer in der zehnten Klasse April und mich die ›Schildkröten-Zwillinge‹ getauft, weil wir bei dem täglichen Kilometer immer als Letzte ins Ziel gekommen waren: April, weil sie das Schwitzen nicht ausstehen konnte, und ich, weil ich das Laufen nicht mochte. Jetzt allerdings sehnte ich mich oft nach einem guten Sprint und wusste, dass ich mich den ganzen Tag lang nicht entspannen könnte, wenn ich die Schmerzen in meinen Muskeln nicht durch die Berührung meiner Füße mit dem Asphalt aus mir herausbrachte. Und nebenbei konnte ich nach Daniel sehen.
    Mom zog James gerade eine Jacke an und wollte zu einem abendlichen Trip ins Seniorenheim aufbrechen, um dort Mrs. Ludwig und ein paar andere Witwen aus der Gemeinde zu besuchen (eine von Dads sonntäglichen Aufgaben), als ich in Laufschuhen und Trainingsklamotten die Treppe herunterkam.
    »Wo willst du denn bitte schön hin?«, fragte sie.
    »Ich muss mich unbedingt etwas bewegen, Mom. Ich hab alle Hausaufgaben erledigt, alle Badezimmer geputzt und den Wäscheraum aufgeräumt, so wie du mich gebeten hast.«
Eher wie du mir befohlen hast, aber egal.
»Ich werde nicht lange wegbleiben, ich versprech’s.«
    Ihr verkniffener Gesichtsausdruck ließ mich fast glauben, dass sie mir nicht erlauben würde, das Haus zu verlassen. Doch stattdessen knöpfte sie den letzten Knopf an James Jacke zu und streifte sich ihre Handtasche über die Schulter. »Nun gut. Aber lauf nicht zu weit vom Haus weg. Es wird bald dunkel und man weiß ja heutzutage nie, wer da draußen rumrennt.«
    »In Ordnung.« Ich sagte ihr nicht, dass ich vorhatte, bis nach Oak Park zu laufen, und schlüpfte durch die Tür, bevor sie ihre Meinung ändern konnte.
    Neben dem Walnussbaum blieb ich stehen und stützte mich mit der Hand ab, während ich meine Oberschenkel dehnte, dann verfiel ich in einen leichten Trab. Den ganzen Tag hatte ich nicht aufhören können, an die Ereignisse vom Vortag zu denken. Ich hatte meine Kräfte im Griff gehabt, sie einen Augenblick zurückgehalten und dann kurz eingesetzt. Wieder und wieder hatte ichmit Daniel ergebnislos trainiert. Die Tatsache, dass ich meine Kräfte tatsächlich hatte einsetzen können, um diesen Typen abzuwehren und jemanden zu beschützen, an dem mir etwas lag, war eine wirklich belebende Erfahrung.
    Und ich wollte mehr.
    Ich war ungefähr einen Kilometer von zu Hause entfernt, als der bekannte Schmerz der einsetzenden Kräfte in meinem Körper aufwallte, sich in meinen Muskeln bündelte, meine Schultern zittern und meine Beine pochen ließ. Ich schraubte meine Geschwindigkeit zu einem schnellen Sprint hoch.
    Hinter den Hügeln von Rose Crest versank die Sonne. Mom hätte gewollt, dass ich jetzt umkehrte. Doch ich konnte nicht aufhören daran zu denken, wie frustrierend es gewesen war, als meine Kräfte am Abend zuvor nachgelassen hatten und ich auf eine andere Person angewiesen gewesen war, die mich hatte retten müssen. Hätte ich über größere Kontrolle verfügt, wäre ich auch ohne fremde Hilfe mit diesen Typen fertig geworden. Noch weitaus frustrierender war allerdings die Erkenntnis, dass ich meine Kräfte wirklich brauchte, wenn ich Jude finden wollte. Das Debakel am Abend zuvor hatte es mir deutlich gezeigt.
    Ich konzentrierte mich auf den Schmerz in meinem Körper. Versuchte, ihn anzunehmen. Versuchte, meinen Beinen zu befehlen, schneller und ausdauernder zu laufen als je zuvor.
    Aber nichts passierte.
    Ich konnte die wie auch immer geartete Grenze, die zwischen mir und der vollen Ausschöpfung meiner Kräfte lag, nicht überwinden.
    Später
     
    Meine Beine waren ungefähr so stabil wie Radiergummis, als ich auf Maryanne Dukes altes Haus zutrabte. Ich hatte gehofft, Daniel ein paar gute neue Nachrichten mitteilen, ihm erzählen zu können, wie ich endlich meine Schnelligkeit und Beweglichkeit verbessert hatte. Stattdessen hingen meine Schultern frustriert herab. Ich verstand es

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