Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)
zu überzeugen.
»Daniel und ich haben daran gearbeitet, meine Superkräfte zu entwickeln. Wir glauben, dass ich ein Hunddes Himmels werden könnte. So, wie du über die Urbats geschrieben hast. Dass die Kräfte dazu gedacht sind, den Menschen zu helfen. Dass sie ein Segen sein könnten und nicht ein Fluch. Daniel hat versucht mir beizubringen, wie ich meine Fähigkeiten am besten anwende. Gerade fange ich an, es herauszufinden. Und jetzt, da du hier bist, könntest du mir doch alles beibringen, was du weißt. Du könntest mir helfen, meine Kräfte zu erschließen. Wenn du mich trainierst, könntest du mir dabei helfen, das Seelenheil der Urbats zurückzugewinnen. So wie du es selbst in den Briefen an deine Schwester gesagt hast.«
Gabriel erhob sich von seinem Stuhl. Er nestelte an seinem Pastorenkragen und räusperte sich. »Nein, Grace. Ich denke, das ist eine furchtbare Idee. Training ist das Letzte, was jemand wie du machen sollte.«
Ich trat einen Schritt zurück. Das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. »Aber du hast mich doch vor ein paar Minuten kämpfen sehen. Ich werde immer stärker und schneller. Du hast doch gesehen, wozu ich fähig wäre.«
»Ja, Grace. Ich habe genau gesehen, wozu du fähig bist. Und genau aus diesem Grund werde ich dich nicht trainieren. Daniel hätte überhaupt nicht damit anfangen dürfen. Du hast da drinnen eben deine Kontrolle verloren. Du wolltest mir wehtun. Ich hab’s in deinen Augen gesehen.«
»Ja …« Ich war sprachlos. Gabriel maß meinen ganzen Charakter an diesem einen Vorfall. Er kannte mich doch gar nicht richtig! »Aber das ist noch nie zuvor geschehen. Und es wird auch nie wieder passieren. Es war nur eine kurze Entgleisung … Ich kann es bestimmt …«
»Es bedarf auch nur einer kurzen Entgleisung, Grace. Hast du irgendeine Idee, wie nahe du daran warst, dich an den Wolf zu verlieren? Du hättest nur noch zudrücken müssen.«
Dad schoss von seinem Stuhl hoch. Ich wusste nicht, was er vorhatte. Zögernd blickte er zwischen Gabriel und mir hin und her, wobei ihm offenbar klar wurde, dass er etwas verpasst hatte, bevor er in Dons alte Wohnung gekommen war.
Daniel saß starr wir eine Statue auf seinem Stuhl und blickte zu Boden.
»Erzähl’s ihnen, Daniel. Es war ursprünglich deine Idee. Du hast mich davon überzeugt, dass ich zu einer Heldin werden könnte. Du weißt, dass ich es sein könnte.« Daniel schuldete mir etwas, und ich versuchte, dies durch den Klang meiner Stimme zu kommunizieren. Nach diesem ganzen Mist, der sich in seiner Einfahrt abgespielt hatte, sowie seinen wie auch immer gearteten Geheimnissen war das hier die Chance für ihn, sein idiotisches Verhalten wiedergutzumachen. »Sag’s ihnen.«
Daniel holte tief Luft. Er sah mich nicht an. »Es tut mir leid, Grace«, sagte er dann streng. »Aber ich glaube, sie haben recht.«
»Wie bitte?« Meine Lippen zitterten. Ich hätte eigentlich wütend werden müssen, fühlte mich jedoch nur verletzt. Tränen traten mir in die Augen. Ich zwang sie zurück. Wenn ich jetzt zu heulen anfinge, wären alle noch weniger davon überzeugt, dass ich mich unter Kontrolle hatte. Ich konnte Daniel nicht mehr ansehen.
»Aber du hast doch gesagt, dass ich etwas Besonderes bin«, sagte ich stattdessen zu Gabriel und versuchte noch einmal, zu ihm durchzudringen. »Bist du nicht deswegen hierhergekommen? Hast du Katherine nicht geschrieben, dass du genau das vorhattest? Den Urbats dabei helfen, dass sie diese Kräfte zum Guten einsetzen? Den Kampf für das Gute kämpfen?«
»Ich habe diese Briefe vor achthundertunddreißig Jahren geschrieben, Grace. Damals glaubte ich das noch. Aber ich glaube nicht mehr an den Kampf. Solange ich es vermeiden kann, benutze ich meine Kräfte nicht.« Gabriel kam zu mir. »Du bist etwas Besonderes, Grace. Ich erkenne das allein daran, wie sehr du dich um die Rettung deines Bruders bemühst. Und deswegen dürfen wir dich auch nicht an den Fluch verlieren.« Er fasste wieder nach meiner Hand.
Ich zog sie weg. Diese Person, die da vor mir stand, war nicht der Gabriel, den ich erwartet hatte, den ich mir vorgestellt hatte, eines Tages zu treffen. Dies war nicht der Gabriel, den ich durch die Briefe kennengelernt hatte.
Ich kannte diesen Mann nicht mal ansatzweise.
»Du kannst den Menschen helfen, Grace«, fuhr er fort. »Aber nicht so, wie du denkst. Es gibt ganz andere Möglichkeiten, wie man in dieser Welt zu einer Heldin werden kann. Und die will ich dir gern
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